Samen und Saatgut - vom winzigen Samen zur Pflanze

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Bienen und Blumen
Vielfalt der Samen
Das Wunder der Keimung
Samen und Saatgut
Die Keimrate
Lagerfähigkeit von Gemüsesamen
Verkaufsformen
Warum ist Markensaatgut teurer als die Packungen beim Discounter?
Was ist das Besondere an hochwertigen Sorten?
Wie entsehen F1-Sorten und warum?
Tipps zum Saatgutkauf
Saatgut selbst gewinnen
Saatgut reinigen
Heißwasserbeize

Bienen und Blumen

Die ersten Fotosynthese betreibenden Lebewesen waren einzellige Bakterien oder Algen, die sich durch Teilung vermehrten. Nachdem sie Pflanzen das feste Land erobert hatten, erfanden sie die geschlechtliche Fortpflanzung und bildeten über Jahrmillionen hinweg eine riesige Vielfalt an Blüten, die einzig dem Zweck dienen männliche und weibliche Geschlechtszellen gezielt mit Hilfe von Wind, Insekten und Wasser zusammen zu bringen. Das Ergebnis dieser Bestäubung sind vielgestaltige Früchte, die sich mit sehr unterschiedlichen Mechanismen öffnen und ihre Samen entlassen.
Samen sind die Vermerhungseinheiten von Pflanzen. Aber sie sind nicht automatisch auch Saatgut.

Tulpenfrucht

Fruchtstand einer Tulpe
Kürbisfrüchte

Früchte verschiedener Kürbisse

Lagenandra thwaitesii

Frucht einer Lagenandra (Aronstabgewächse/Araceae)
Fruchstand des Löwenzahns

Die Samen des Löwenzahns werden vom Wind verbreitet.
Fruchtstand eine Aponogeton

Die Samen vieler Wasserpflanzen (hier Aponogeton)
treiben mit dem Wasser fort.

Die Früchte oder Fruchstände enthalten die Samen. Sie sind Pflanzenembryonen, die mit mehr oder weniger Nährgewebe in einer mehr oder weniger dicken Schale eingeschlossen sind. Manche Früchte halten die Samen nur kurze Zeit, andere schützen sie über Trocken- oder Kälteperioden hinweg. Wieder andere Früchte helfen bei der Steuerung der Keimruhe. Vielfach enthalten sie nahrhaftes Gewebe, dass Tiere anlockt die zur Verbreitung beitragen. Die Samen des Speierling keimen beispielsweise erst nachdem sie einen Vogeldarm passiert haben. Die Früchte werden nach ihrer Form und Anordnung der Samen eingeteilt und unterschiedlich bezeichnet. So sind Johannisbeere, Weintrauben, Gurken und Kürbisfrüchte beispielsweise Beeren, während Erdbeeren Sammelnussfrüchte sind.

Vielfalt der Samen

So vielfältig wie die Farben und Formen der Früchte sind auch die der Samen selbst. Es gibt sehr große Samen (Kokosnuss) und staubfeine, runde, eckige, glatte, runzelige, solche mit dornigen Auswüchsen und welche mit merkwürdigen Anhängseln. Manche sind braun oder schwarz, andere grün, weiß, gelb oder violett. Es gibt einfarbige, gestreifte, gepunktete und marmorierte Samen.

Schalerbsen

Die Samen von Palerbsen sind glatt.
Zuckererbsen

Die Samen von Zuckererbsen und Markerbsen
 sind runzelig.

Mungobohnen

Mung(o)bohnen
Dicke Bohnen

Favabohnen

Braune Stangenbohnen

braune Bohnensamen
Feuerbohnen

Feuerbohnen

Brokkoli

Brokkoli und andere Kohlgewächse ...

Rauke

... wie die Rauke haben kugelige schwarze
oder braune Samen.
Vogelmiere

Die Samen von Vogelmiere sind ebenfalls
braun bis schwarz und rundlich.
Sie sind aber viel kleiner.
Rote Bete

Samen von Rote Be(e)te ...
Mangold

... und Mangold bestehen aus einem Knäueln von 2 bis 6
Keimanlagen, die aus mehreren am Grund
verwachsenen Blüten hervorgegangen sind.
Stevia

Das Honigkraut (Stevia rebaudiana)
hat längliche Samen.
Bockshornklee

Bockshornklee-Samen sind eckig.
Petersilie

Petersiliensamen sehen aus wie kleine Tränen.
Aster-Samen

Astern (Callisstephus) bilden keilförmige Samen.
Schokoladenblume

Samen von Schokoladenblume (Berlandiera lyriata)
Samen von Indianernessel

Samen von Indianernessel (Monarda didyma)
Ritterspron

Rittersporn-Samen
Radieschen

Radieschen bilden unregelmäßig rundliche Samen.
Sonnenblume

Die Samen von Sonnenblumensorten sind
unterschiedlich groß und gefärbt.
Die Samen von ´King Kong´ sind beispielsweise rein weiß. Andere Sorten sind ganz schwarz.

Paradiesvogelblume

Samen der Paradiesvogelblume (Strelitzia)
Cryptocoryne ciliata

Keimender Samen von Cryptocoryne ciliata
mit einem Blatt.
Banane

Während die Samen in den Kulturformen winzig
sind oder ganz fehlen, sind sie in den
Wildarten von Bananen erstaunlich groß und hart.

Das Wunder der Keimung

Aus dem Samen sollen einmal Pflanzen wachsen. Damit sie keimen, müssen aber bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Zunächst muss einmal die Keimruhe durchbrochen sein. Bei einigen Pflanzen passiert das in der Natur dadurch, dass die Samen im Darm von Tieren Säuren und Enzymen ausgesetzt sind. Sie keimen also erst nach einer Darmpassage. Kaltkeimer (Waldmeister, Bärlauch) müssen eine gewisse Zeit kühlen Temperaturen ausgesetzt gewesen sein. Andere benötigen einfach eine gewisse Lagerzeit. In dieser Zeit werden keimhemmende Stoffe im Samen oder im Fruchtfleisch abgebaut.
Für die Keimung selbst müssen günstige Bedingungen herrschen. Grundsätzlich ist Feuchtigkeit nötig, damit die Samen aufquellen können. Legt man die Samen einige Zeit vor der Aussaat in Wasser, kann man sicher sein, dass sie ausreichend Feuchtigkeit abbekommen. Bei vielen Samen (Tomaten, Gurken, Paprika et.) ist das aber nicht nötig, wenn man die Anzuchterde feucht genug hält. Bei Arten mit sehr dicker oder sehr harter Samenschale (Kaffee, Bananen, Strelitzia, Canna) ist es sinnvoll die Samen anzuritzen oder anzufeilen, damit sie beim Vorquellen auch wirklich Wasser aufnehmen. Die Keimdauer kann so von mehreren Monaten auf wenige Wochen oder Tage verkürzt werden.
Damit die Stoffwechselvorgänge bei der Keimung gut ablaufen können, müssen die daran beteiligten Enzyme ihre ideale Betriebstemperatur haben. Die auf einer Saatguttüte angegebene Keimtemperatur ist also am Tag und in der Nacht einzuhalten. Wer im Frühjahr Pflanzen auf der Fensterbank zieht, muss beachten, dass sich an der Scheibe zwar die Luft tagsüber schnell erwärmt, eine Steinfensterbank aber lange kalt bleibt. Dieser kühlende Effekt kann verhindern, dass der Samen im Boden die Keimtemperatur erreicht. Aussaatschalen sollte man darum besser auf eine isolierende Unterlage (Handtuch, Holzbrett, Styroporplatte) stellen.
Manche Pflanzen benötigen zur Keimung auch Licht und werden als Lichtkeimer bezeichnet. Dazu gehören zum Beispiel Erdbeere, Petunien, Sellerie, Bergbohnenkraut, Kresse, Basilikum und einige andere Würzkräuter. Die Samen dieser Arten werden auf das Substrat gestreut und leicht angedrückt, aber nicht mit Erde bedeckt.
Bei den meisten anderen Pflanzen sät man die Samen auf die Anzuchterde und siebt eine 0,5 bis 1 cm dicken Schicht Substrat darüber. In der Direktsaat können PflanzlÖcher gegraben oder Rillen gezogen werden, die je nach Pflanzenart 2 bis 5 cm tief sind.

Die Samen keimen nur, wenn die Umgebungstemperatur dazu hoch genug ist. Einige Pflanzen keimen bereits bei niedrigen Temperaturen, andere brauchen es sehr warm.

Die Daten der folgenden Tabelle sind ais dem Buch von Heistinger (2010) entnommen.

Gemüseart
Mindesttemperatur
in °C
optimale Temperatur
in °C
Aubergine
12,1
25 - 28
Busch- und Stangenbohnen
7,7
25
Chicorée
5,3
15 - 18
Endivie
2,2
20
Feldsalat
0,0
20
Gartenkresse
1,0
20
Gurken
12,7
25 - 28
Kohl
1,9
20
Karotten
1,3
22
Melone
12,1 25 - 28
Palerbse
1,6
20
Paprika
6,7
25 - 28
Petersilie
0,0
25
Porree
1,7
20 - 25
Portulak
11
20
Puffbohne
0,4
20
Rettich und Radieschen
1,2
20
Rote Bete
2,1
20
Salat
3,5
15 - 18
Schwarzwurzel
2,0
20
Sellerie
4,6
20
Spinat
0,1
15 - 20
Tomate
8,7
20 - 25
Zuckererbse
3,2
20
Zwiebel
1,4
15 - 20


Das Substrat muss immer feucht sein. Nässe - also Wasser, dass alle Hohlräume im Substrat füllt und da durch die Luft völlig verdrängt - ist dagegen schädlich. Am besten deckt man das Substrat mit Folie ab, stülpt eine Tüte über die Töpfe oder verwendet Anzuchtschalen oder Minigewächshäuser mit Hauben. Dann besteht das Risiko nicht, dass die Erde austrocknet. Sobald die Keimblätter sich voll entfaltet haben, wird die Abdeckung entfernt. Zu hohe Luftfeuchtigkeit erhöht das Risiko von Pilzinfektionen.

Tomatensämlinge

Wir können das Wachstum von Sämlingen beeinflussen, aber nie vollständig kontrollieren. Manchmal klappt irgendetwas nicht und man kann den Grund dafür einfach nicht herausfinden.
Das Bild zeigt zwei von vier Töpfen mit Sämlingen der Tomate ´Saint Pierre´ aus einem Tomaten-Anzuchtset. Das Set enthält zwei Beutel mit Anzuchterde, vier Töpfe und Saatgut für etwa 80 Pflanzen.
Ich habe die Erde und das Saatgut an ein und demselben Tag gleichmäßig auf alle Töpfe verteilt. Die Töpfe habe ich alle zusammen in eine Schale gestellt. Drei der Töpfe entwickelten sich wie der Topf rechts auf dem Bild. Aber in einem Topf wuchsen die Sämlinge nach der Keimung einfach nicht weiter. Die Samenhülle blieb auf den Blattspitzen stecken.
Das Substrat stammt aus der selben Tüte. Das Saatgut stammt aus der selben Keimschutzpackung. Es handelt sich ganz offensichtlich auch nicht um ein individuelles Problem einzelner Samen, denn in den anderen Töpfen gibt es solche "Steckenbleiber" nicht. Der Grund für dieses Versagen bleibt unbekannt. An der Saatgut Qualität liegt es aber nicht, denn die übrigen 60 Samen keimten und entwickelten sich normal.
Rein spekulativ könnte man annehmen dass im Substrat ein "Fremdstoff" ist, der die Entwicklung der Sämlinge hemmt. Ein "Korn" von Irgendwas war in einem der Saatgutbeutel und landete in diesem Topf. Beim Angießen löste sich der Material auf und setzte "Etwas" frei, dass die Pflanzen hemmt.

Probleme nach der Aussaat


Das Saatgut liefert die Nährstoffe und die Energie für die Keimung. Die Keimwurzel und die Keimblätter sind dann für die Versorgung des Sämlings verantwortlich. Probleme, die von nun an auftreten haben nichts mehr mit der Qualität der Samen zu tun, sondern sind auf ungünstige Kulturbedingungen zurück zu führen.
Werden die Triebspitzen rötlich oder rollen sich die Blätter von Tomaten und Gurken ist es den pflanzen zu kalt. Wenn die Anzuchterde zuviel Dünger enthält bilden sich braune, eingetrocknete, abgestorbene Ränder an den Blättern. Hier lagern sich hohe Salzkonzentrationen ab, die mit dem Wasserstrom an den Blattrand transportiert werden. Sie wirken toxisch und verursachen Nekrosen. Gelbliche Punkte oder Flecken oder schwärzliche Verfärbungen an den Stängeln werden durch Pilze verursacht. Unregelmäßige braune Flecken oder verkrüppelte Triebspitzen oder Blätter werden durch saugende Insekten wie Blattläuse, Milben oder Thripse verursacht.

Pflanzen, die im Haus auf der Fensterbank vorgezogen werden bekommen kein UV-Licht ab, das dieses nicht durch Fensterglas dringt. Kommen die Pflanzen ins Freiland oder in ein Foliengewächshaus werden sie plÖtzlich viel stärkerer Strahlung ausgesetzt, ohne Schutzpigmente gebildet zu haben. Die Strahlung zerstört dann das Blattgrün und die Pflanzen sterben im schlimmsten Fall ab. Darum müssen Jungpflanzen langsam an die Außenbedingungen gewÖhnt werden. Sie bleiben zunächst einige Tage im Schatten ohne direkte Sonnenstrahlung oder werden mit Vliesen oder Tüchern in der ersten Zeit vor direkter Sonne geschützt.

Sonnenschaden an Gurke

Schaden durch zuviel Licht.
Die Blätter werden weiß, weil die Sonne das Chlorophyll zerstört.



Beinigkeit bei Rettich tritt auf, wenn der Boden zu fest ist oder die Pfahlwurzeln der Pflanzen beim Pikieren oder Pflanzen verletzt wurde. Bei Möhren können ein verdichteter Boden oder ein Befall mit Nematoden die Ursache sein.

Wenn Wirsing sofort beginnt zu schießen und Blüten zu bilden, dann hat er nach der Aussaat zu kalt gestanden. Temperaturen unter 12 °C fördern die Anlage von Blüten.

Samen und Saatgut

Nicht jeder Samen ist Saatgut. Samen sind die natürlichen geschlechtlichen Vermehrungsformen der Pflanzen. Saatgut ist dagegen Handelsware und unterliegt gesetzlichen Regelungen. Im Sinne des Saatgutverkehrsgesetzes handelt es sich bei Saatgut um Samen, der für die Erzeugung von Pflanzen bestimmt ist, sowie Pflanzgut von Kartoffeln (Saatkartoffeln) und Reben. Es gibt für die verschiedenen Pflanzenarten Richtwerte zur Mindestkeimfähigkeit, zum Feuchtegehalt und der Reinheit. Diese Merkmale einer Saatgutcharge werden vor der Abfüllung überprüft und im Saatgutkontrollbuch verzeichnet. Jede abgepackte Portion muss mit der dazugehÖrigen Chargen-Nummer gekennzeichnet werden. So kann der Inhalt jeder Tüte bis zum Saatgutproduzenten zurück verfolgt werden.
Die Keimfähigkeit ist ein sehr wichtiges Merkmal für den Verbraucher. Sie gibt an, wie viele  Samen von 100 tatsächlich keimen. 100 % der Samen keimen selten.

Pflanzen sind sehr tolerant, was die Verteilung von Chromosomen angeht. Dreifache, vierfache oder sechsfache Chromosomensätze können auftreten, ohne dass man der Pflanze äußerlich etwas anmerkt. Trotzdem sind unter den Samen auch immer welche, die nicht lebensfähig sind oder Keimbedingungen brauchen, die von denen ihrer "Geschwister" abweichen. Die Variabilität ist Bestandteil der biologischen Vielfalt. Bärlauch hat immer einige Samen, die sofort nach Einwirkung einer Kälteperiode keimen und andere, die bis zu drei Jahre im Boden liegen. Für die Pflanze hat das den Vorteil, dass sie ein oder zwei Jahre mit schlechten Lebensbedingungen überbrücken kann. Für den Gärtner ist das ärgerlich. Echte Kulturpflanzen sind sind darum auch auf hohe Keimraten und schnelle, einheitliche Keimung selektiert.

Die Keimrate

Die Saatgutverordnung gibt Werte zur Mindestkeimfähigkeit verschiedener Gemüsesorten an.
Bei Rote Bete ist zum Beispiel eine Mindestkeimrate von 70 % gesetzlich vorgeschrieben. Normale Rote Bete hat Knäule mit 3 - 6 Samenanlagen. Bei monogermem Saatgut sind die Samenanlagen einzeln. Beim Keimfähigkeitstest wird nun festgestellt wie viele der Samenanlagen tatsächlich keimen. Bei Knäulen kann es sein, dass von sagen wir 4 Samenanlagen jeweils 1 keimt. Dann scheint es, dass es sich um eine 100ige Keimfähigkeit handelt, weil aus jedem Korn eine Pflanze wird. Tatsächlich liegt die Keimrate dann aber bei nur 25 %. Bei monogermem Saatgut, das den gesetzlichen Normen entspricht, geht dagegen von 10 Körnern nur 7 auf. Gibt also ein Hersteller an, dass aus einer Portionspackung eine bestimmte Menge an Pflanzen hervorgehen sollen, muss er eine entsprechende Menge Saatgut einfüllen. Da die Keimfähigkeit bis zum  Ablauf der Mindesthaltbarkeit sinkt werden etwa 3- bis 4-mal soviele Knäule bei Rote Bete und Mangold eingefüllt wie Pflanzen versprochen werden.

Die hÖchsten Mindestkeimrate wird bei Zuckermais vorausgesetzt. Hier sind es 85%. Bei Herbstrüben, Gurken, Riesenkürbissen, Prunkbohnen und Dicken Bohnen erwartet werden 80 % erwartet. Die meisten Kohlsorten, Kohlrabi, Wasser- und Honigmelonen, Zucchini und Gartenkürbisse (z. B. Zierkürbisse), Salate, Busch- und Stangenbohnen, Tomaten und Spinat müssen zu 75 % keimen, damit sie in den Handel dürfen. Eine Keimrate von 70 % sind ausreichend für Schwarzwurzeln, Rhabarber, Rettich, Radieschen, Fenchel, Zwiebel, Kerbel, Sellerie, Spargel, Mangold, Rote Be(e)te und Blumenkohl. Bei Lauchzwiebeln, Porree, Knoblauch, Schnittlauch, Paprika, Winterendivien, Blattzichorie, Möhren, Auberginen und Feldsalat sind es sogar nur 65%. Wenn also von 4 von 5 Tomatensamen keimen liegt die Keimrate mit 80 % über der gesetzlichen Mindestanforderung. Tatsächlich wird aber meist Saatgut abgefüllt, dessen Keimrate höher liegt, damit die Keimrate bis zum Ablauf der Mindesthaltbarkeit gewährleistet ist.
Saatgut ist aber ein verderbliches Gut. Ideal ist eine Lagerung von Saatgut bei 0 bis 10 °C. Rasensaatgut wird zum Beispiels in klimatisierten Räumen bei 10 °C und 30 % Luftfeuchte gelagert. Es können auch SamenkÖrner bei -18 °C eingefroren werden, wenn es trocken genug ist und das Einfrieren schnell genug geht. Dann bilden sich keine Eiskristalle in den Zellen, die die Membranen zerstören. Mit steigenden Temperaturen beschleunigt sich die Abnahme der Keimfähigkeit. Die Samen geben vermehrt Feuchtigkeit ab und verbrauchen Energiereserven. Eine Absenkung der Temperatur um 5 °C soll eine Verdopplung des Zeitraums bewirken in dem Saatgut keimfähig bleibt.
Für den Hausgebrauch sollte man einen Lagerplatz finden, der nicht wärmer ist als 16 °C.

Lager mit Saatgut

Saatgut wird bis zur Abfüllung in Kühlräumen gelagert.

Beim Einkaufen sollte man darauf achten möglichst frisches Saatgut aus dem aktuellen Wirtschaftsjahr zu kaufen und Läden zu wählen in denen das Saatgut an einem kühlen, schattigen Ort präsentiert wird. In Verkaufsgewächshäusern sind die Temperaturen für eine ideale Lagerung zu hoch. Auch zu Hause sollte man das Saatgut möglichst kühl und in verschlossenen Behältern lagern. Schwankungen bei Tempertur und Luftfeuchte müssen vermieden werden. Unter günstigen Bedingungen gelagertes Saatgut behält seine Keimfähigkeit 3 bis 5 Jahre lang.

Lagerfähigkeit von Gemüsesamen

Saatgut ist ein lebender Pflanzenkeim. Obwohl man es von Außen nicht sieht, spielen sich im Inneren Lebensprossese ab. Die Zellen atmen und verbrauchen Energiereserven. Während es lagert verliert es darum immer etwas Lebenskraft. Um die Keimfähigkeit von Saatgut zu erhalten muss man die Stoffwechselvorgänge im Samen möglichst gering halten. Auch wenn die Samen nach längerer Lagerung noch keimen, können die Jungpflanzen in der weiteren Kultur schwächlich wachsen und anfällig für Krankheiten sein. Die richtige Lagerung ist also wichtig um aus Qualitätssaatgut auch Qualitätspflanzen zu ziehen.
Gut abgereifte Samen sind länger lagerfähig als zu früh geerntete. Sie haben das Maximum an Energie von der Mutterpfflanze bekommen. Um sie als Saatgut zu lagern müssen sie zunächst gereinigt werden und dann ganz trocken sein. Sie werden luftdicht und lichtdicht verpackt. Die optimale Lagertemperatur liegt zwischen 0 und 10 °C und darf nicht schwanken. Da die Haltbarkeit von Saatgut abhängg ist von den Lagerbedingungen, gibt es keine Garantie für das Haltbarkeitsdatum. Es würde niemand erwarten, das Milch, die nicht im Kühlschrank aufbewahrt wird, bis zu ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum frisch bleibt. Auch von Saatgut darf man das nicht erwarten.

Die Angaben der folgenden Tabelle sind aus dem Buch von Andrea Heistinger (2010) übernommen.

Gemüseart
durchschnittliche Lagerfähigkeit in Jahren (optimaler Lagerung bei 0 bis 10 °C)
Aubergine
5 Jahre oder länger
Blumenkohl
5 Jahre oder länger
Brokkoli
5 Jahre oder länger
Bohne
2 - 5 Jahre
Endivien
4 - 5 Jahre
Erbse
3 - 5 Jahre
Feldsalat
4 - 5 Jahre
Gartenmelde
5 Jahre oder länger 
Gurke
5 Jahre oder länger
Karotte
2 - 3 Jahre
Knoblauch
kaum lagerfähig, muss sofort ausgesät werden
Knollenfenchel
2 - 3 Jahre
Kohl
5 Jahre oder länger
Kohlrabi
5 Jahre oder länger
Kürbis
5 Jahre oder länger
Lauch
kaum lagerfähig, muss sofort ausgesät werden
Mais
2 bis 5 Jahre
Mangold
4 bis 5 Jahre und länger
Melone
5 Jahre und länger
Paprika
4 bis 5 Jahre und länger
Pastinake
kaum lagerfähig, muss sofort ausgesät werden.
Radieschen und Rettich
4 bis 5 Jahre
Rote Bete
4 bis 5 Jahre und länger
Schnittlauch
kaum lagerfähig, muss sofort ausgesät werden
Salat
4 bis 5 Jahre
Schwarzwurzeln
kaum lagerfähig, muss sofort ausgesät werden
Sellerie
2 bis 5 Jahre
Spinat und Neuseeländer Spinat
2 bis 5 Jahre
Tomate
5 Jahre und länger
Zwiebelgewächse
bis zu 3 Jahre

Die Samen einzufrieren ist nur bei sehr trockenem Saatgut möglich, da Eiskristalle die Zellen beim Einfrieren zerstören. Es wird dazu mit Silikagel in einem geschlossenen Gefäß getrocknet. das Silikagel zieht Wasser aus der Umgebung und senkt so die Luftfeuchtigkeit. Das Saatgut wird dadurch trockener als wenn man es nur so an der Luft abtrocknen lässt. Danach wird es in Portionen eingeschweißt. Ideal sind metallbeschichtete Säckchen. Bei -18 °C behalten die Samen ihre Keimfähigkeit dann 10 Jahre. Einige Arten sogar 20 Jahre und länger.


Verkaufsformen

Saatgut wird nach der Ernte und Reinigung meist nur getrocknet und dann in Portionspackungen abgefüllt. Manche Sorten kann man aber auch als Saatband, Saatscheibe, Saatplatte oder pilliert bekommen.
Portionssaatgut wird je nach Größe und Zahl der Körner einzeln mit der Hand an der Pflanzstelle platziert (Kürbis, Erbsen, Bohnen, Tomaten), in Reihen ausgestreut (Möhren, Radieschen, Feldsalat) oder breitwürfig verteilt (Gründünger, Blumenmischungen). Sehr feines Saatgut mischt man am Besten mit etwas Sand, damit man es in größerem Abstand ausbringen kann. Während des Wachstums brauchen die Pflanzen zunehmend mehr Platz. Die Jungpflanzen müssen also in einem gewissen Abstand zu einander stehen, damit sie sich gut entwickeln können. Die keimenden Pflanzen müssen darum nach dem Auflaufen vereinzelt werden. Die Sämlinge aus Anzuchtschalen werden dazu in Töpfe pikiert und später ins Freiland oder in Kübel gepflanzt. Bei Reihensaaten im Beet muss man die kleineren Pflanzen herausziehen, so dass die Kräftigen auf den gewünschten Pflanzabstand kommen (verziehen). Je nachdem wie weit der Abstand bei der Aussaat war, verliert man so etwa die Hälfte bis 75 % der Jungpflanzen. Bei der Vorkultur im Haus und Gewächshaus hat man mehr Arbeit, erhält aber eine größere Pflanzenausbeute. Bei Arten, die sich leicht verpflanzen lassen (Kohl, Salat, Kohlrabi, Gurken, Tomaten) und pro Pflanzen eine große Erntemenge liefern, ist das eine gute Methode. Bei Möhren und Radieschen lohnt sich das nicht. Eine Pflanze zu pikieren und zweimal umzupflanzen um ein Radieschen zu ernten, ist doch etwas viel Aufwand.
Beim Saatband, sind Samen in einem vorgegebenen Abstand auf einen Papierstreifen geklebt. Der Streifen wird bei der Aussaat in eine flache Furche im Boden gelegt, mit Erde bedeckt und angegossen. Ein Saatband ist meist 5 m lang. Man bekommt im Saatband insgesamt weniger Saatgut als bei der Portionspackung, muss dafür aber die Jungpflanzen auch nicht vereinzeln und hat dadurch keine Verluste. Als Saatband werden zum Beispiel Schnittsalate, Feldsalat, Radieschen, Möhren und einige Kräutermischungen angeboten.
Saatscheiben sind runde Watte-Scheiben in die Saatgut eingearbeitet ist. Sie sind optimal für die Verwendung in Töpfen. Als Saatscheiben bekommt man zum Beispiel Katzengras, Basilikum, Salatrauke, Dill, Petersilie, Schnittlauch oder Blumenmischungen für Töpfe. Die Scheiben werden auf die Erde gelegt, etwas mit Anzuchterde bestreut und feucht gehalten.


Katzengras

Saatscheiben mit Katzengras

Das Vlies auf dem Saatgut weicht innerhalb weniger Tage auf und die keimenden Samen wachsen hindurch. Leider funktioniert das mit Kresse nicht so gut, weil sie sehr schnell keimt und dann zum Teil das Vlies noch nicht weit genug aufgelöst ist. Bei Kresse ist es darum besser loses Saatgut auf Watte oder in einer Kresse-Anzuchtbox auszusäen.
Saatplatten sind PapierbÖgen in denen das Saatgut eingearbeitet ist. Sie werden zum Beispiel von Sperli und auch von PÖttschke für einige Pflanzen angeboten. Die Saatplatten werden wie Saatbänder einfach ausgelegt. Die Samen darin haben den idealen Abstand und müssen nicht verzogen werden. Es gibt Saatplatten, die in Anzuchtkästen passen aus denen heraus die Junpflanzen später pikiert werden (Porree, Eissalat, Tomaten etc.) und es gibt solche, die direkt in Balkonkästen ausgelegt werden und dort weiterwachsen (Sommerblumen).
Pilliertes Saatgut ist mit einem Mantel aus Ton umgeben und bildet so handliche kleine Kugeln. Pillenssatgut wird bei Sorten verwendet, die kleine Samen haben, der aber auf einen recht großen Abstand ausgesät werden muss bzw. das in sehr kleinen Kornzahlen verkauft wird. Typisch ist Pillenssatgut für Petunien und Erdbeeren. Es gibt aber auch Kopf- und Eissalat, Porree, Möhren, Radieschen und Wurzelpetersilie pilliert. Im Prinzip ist der Umgang mit dieser Saatgutform einfach. Der Tonmantel darf aber während der Keimung niemals antrocknen. Trocknet das Material aus, beginnt es dem Keimling Feuchtigkeit zu entziehen und er stirbt ab. Regelmäßiges Gießen oder besprühen ist bei Pillenssaatgut also extrem wichtig.

Pillensaat

Pillensaatgut. In diesem Fall sind die extrem kleinen Samen von Erdbeeren ummantelt worden.
Die Pillen werden etweder in normalen Keimschutzpackungen in die Portionstüten getan oder in solchen kleinen RÖhrchen.

Warum ist Markensaatgut teurer als die Packungen beim Discounter?

Bei Saatgut gibt es sehr große Preisunterschiede. Obwohl es im wahrsten Sinne "auf Bäumen wächst" ist es für die Saatgutfirmen nicht umsonst. Sie müssen die Körner vom Erzeuger kaufen, fachgerecht in lagern (kühl, dunkel, trocken), auf Keimfähigkeit prüfen, abzählen oder abwiegen, in Keimschutzpackungen einschweißen und in Portionstüten und Kartons abfüllen. Die Kartons werden dann mit Speditionen oder Fahrzeugen aus dem eigenen Fuhrpark an den Einzelhandel geliefert. Der Einzelhandel behält vom ErlÖs etwa 50 % (19% sind Mehrwertsteuer!). Der Rest der Einnahmen muss die Kosten für das Saatgut, das Personal (Abfüllung, Verwaltung, Versand), die Wartung und den Betrieb der Maschinen, Kartonagen und Paletten, die Tüten und die Rechte an den Bildern und Piktogrammen auf den Tüten bezahlen. Die Firmen drucken für ihre Kunden außerdem farbige Kataloge und Infoflyer. Dazu kommen alle Kosten die in einem Unternehmen anfallen (Versicherung, Krankenkassenbeiträge, Gewerbesteuer, Telefon etc.). Um nicht in Konkurs zu gehen muss der Betrieb mit dem Verkauf der Ware alle Kosten decken, Rücklagen bilden und Gewinn erwirtschaften. Das ist eine unternehmerische Notwendigkeit!

Das Saatgut, dass wir in Fachmärkten kaufen und das beim Discounter, ist zum Teil von den selben Firmen abgefüllt. Diese Eigenmarken der Fachmärkte unterscheiden sich manchmal nur durch den Aufdruck auf der Tüte von der Ware mit dem bekannten Namen, sind inhaltlich aber gleich. In anderen Fällen beinhalten sie weniger Saatgut oder andere Sorten. Sehr günstige Produkte, wie wir sie als Saisonware im Einzelhandel finden, sind keine hochwertigen Sorten. Manchmal haben die Packungen auch sehr geringe Füllmengen (z. B. bei Erbsen und Bohne) oder enthalten keine Keimschutzpackungen, die das Saatgut vor Austrocknung schützen. Oft wird solche Aktionsware zum Einkaufspreis verschleudert, weil sie für alle Beteiligten lediglich der Werbung und Kundenbindung dient.

Was ist das besondere an hochwertigen Sorten?

Hochwertige Sorten sind über mehrere Jahre durch ausdauernde, züchterische Arbeit entstanden. Sie haben Eigenschaften, die eine Kultur und die Ernte erleichtern. Beispielsweise gibt es Gurken, die statt männlicher und weiblicher Blüten überwiegend oder nur weibliche Blüten bilden und ohne Bestäubung Früchte ansetzen. Da aus männlichen Blüten keine Früchte hervorgehen ist bei diesen Sorten der Ertrag besonders hoch. Bei Roten Rüben und Mangold bilden immer mehrere Samen zusammen einen Knäuel. Bis zu 6 Pflanzen gehen aus einem Knäuel hervor. Nach dem Auflaufen müssen darum immer zwei bis fünf Pflanzen entfernt werden um den notwenigen Pflanzenabstand für eine gute Knollenbildung zu erreichen. Es gibt aber auch dank züchterischer Selektion genetisch monogerme Sorten, die Einzelblüten bilden und jeweils nur eine Pflanze pro "Knäuel" entwickeln. Dadurch entfällt die aufwendige Handarbeit des Verziehens. Technisch mongermes Saatgut wird gespalten um die Samen zu vereinzeln. Viele gute Salat oder Kohlsorten neigen kaum dazu Blüten zu bilden. Da sie nicht "schießen" sind sie länger erntefähig und können beispielsweise auch über Sommer angebaut werden. Bei Wintergemüse hat die Selektion besonders frostharte oder gut lagerbare Sorten hervorgebracht.
Viele neue Sorten sind resistent gegen Krankheiten wie Echten oder Falschen Mehltau, Fettflecken (Bohne), den Welkepilz Fusarium oder Viren. Andere sind gegenüber diesen Krankheiten sehr tolerant, zeigen also erst bei sehr starkem Befallsdruck und unter schlechten Kulturbedingungen Schäden. So gibt es zum Beispiel Tomatensorten (´Philovita´, ´Phantasia´, ´Vitella´), die hoch tolerant gegen Kraut- und Braunfäule sind. Anfällige Sorten bringen bei Befall keine Früchte, weil sie schon vor der Ernte absterben. Die Möhrensorte ´Flayway´ ist tolerant gegen die Möhrenfliege. Der Rettich ´Neptun´ bekommt nicht so leicht Rettichschwärze.
Teilweise können mit dem Saatgut Krankheitserreger in den Garten kommen. Damit das nicht geschieht, wird bei Qualitätssaatgut auf eine saubere Herkunft geachtet.
All dass trägt dazu bei, dass bei der Kultur im Hausgarten weniger oder gar keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen.

Wie entstehen F1-Sorten und warum?

Viele Gemüse und auch Zierpflanzensorten (z. B. bei Sonnenblumen) entstehen durch Hybridzüchtung. Diese sogenannten "F1-Hybriden" sind Pflanzen, die wenn man sie mit sich selbst bestäubt, keine Nachkommen mit den Eigenschaften der Eltern hervorbringen. Sie lassen sich also nicht sortenrein vermehren. Das ist aber kein Trick der Saatgutproduzenten um den Nachbau zu verhindern, sondern liegt in der Herkunft der Sorten bedingt. Gentechnik ist hier übrigens nicht im Spiel (Pflanzenzüchtung).
Durch die Kreuzung von zwei bestimmten Elternsorten kann man die gewünschten Eigenschaften der F1-Hybriden sicher erzeugen. Beispielsweise wird über die ausgewählte Mutter ein guter Geschmack und vom Vater eine Resistenz gegen einen Pilz vererbt. Die folgende Generation (Filialgeneration 1) hat dann diese Eigenschaften. Da sie bei freiem Abblühen aber zum Teil als männlicher und zum Teil als weiblicher Elternteil fungiert, werden die Karten für die nachfolgende Generation (F2) neu gemischt. Es entstehen sowohl Samen mit den Anlagen der F1 als auch solche, die nur einen guten Geschmack oder die Resistenz oder eben keines von Beidem besitzen. Man erhält also eine Mischung aus Samen mit gewünschten Anlagen und mit unerwünschten. Leider sieht man es dem Saatgut von außen nicht an, was es für Pflanzen hervorbringen wird. Sorten müssen immer die gleichen Eigenschaften besitzen. Die F2 ist in sich variabel und dadurch keine Sorte mit definierten Eigenschaften.
In anderen Fällen kann eine Sorte sich selbst gar nicht vermehren. Beispielsweise gibt es Sorten von Zierpflanzen (Sonnenblumen, Lilien) die keinen Pollen produzieren. Diese Eigenschaft ist von Vorteil, wenn man die Pflanzen als Schnittblumen ins Haus holen will. Pollen färbt sehr stark und lässt sich nicht mehr oder nur sehr schwer aus Textilien und von MÖbeln entfernen. Ohne Pollen gibt es aber keine Bestäubung und somit auch keine sortenreinen Nachkommen. Die Samen der Sonnenblumen lassen sich zwar aussäen, aber es kommen keine pollenfreien Sonnenblumen mit der gleichen Farbe wie die Mutterpflanze dabei heraus. Jedenfalls nicht ausschließlich.

Firecracker

´Firecracker F1´ ist eine pollenlose, mehrtriebige Sonnenblume.
Die Sorte produziert Necktar und wird von Bienen besucht.
Bestäubt werden kann sie aber nur von anderen Sorten, so dass
die Nachkommen nicht die gleichen Eigenschaften haben wie die Mutterpflanze.
Die Sorte kann nur durch gezielte Kreuzungsarbeit erzeugt werden.
Lilienblüte

Lilien wie wie ´Stargazer´ haben viel, klebrigen und stark färbenden
Pollen. Er hinterlässt nicht mehr entfernbare Flecken auf Textilien und MÖbeln. Für die Schnittblumenproduktion wurden darum Sorten ohne Pollen gezüchtet.



Um F1-Saatgut zu erzeugen müssen die Blüten der Mutterpflanzen künstlich bestäubt werden. Bei zwittrigen Blüten wird dazu der männliche Teil der Blütenanlagen entfernt, bevor er reif ist. Die Blüte wird dann teilweise in einen Beutel verpackt, damit keine Insekten unerwünschten Pollen auf die Narbe bringen können. Wenn die Narbe reif ist, wird sie mit Pollen, der aus den Blüten der Vatersorte entnommen wurde, bestäubt. Dazu wird der Pollen mit einem Pinsel auf die Narbe gestrichen oder Insekten tragen den Pollen vom Vater zur Mutter. Die sicht entwickelnden Früchte werden geerntet, sobald die Samen voll ausgereift sind. Der ganze Prozess ist sehr aufwendig und macht das Hybridsaatgut teuer.
Der Aufwand lohnt sich für die Erzeuger aber aus verschiedenen Gründen. Hauptsächlich werden Gemüse- und Blumensamen nämlich für den Erwerbsanbau produziert. Der Verkauf als Portionssaatgut an Hobbygärtner macht nur einen verschwindend geringen Teil aus. Erwerbsanbauer, die Gurken, Salat, Kohl oder Tomaten für den Handel produzieren, könnten sehr leicht ihren Eigenbedarf an Saatgut decken, wenn sie nur einen Teil ihrer Früchte dazu verwenden. Das Hybridsaatgut eignet sich aber dazu nicht und muss so jedes Jahr neu eingekauft werden. Dadurch hat der Saatgutproduzent einen sicheren Markt.



Tipps zum Saatgutkauf

1. Achten Sie auf die angegebene Menge

Vielfach gibt es Irritationen, weil die großen Saatguttüten eine kleinere Keimschutzpackung enthalten, in der sich dann nur wenig Saatgut befindet.
Bei Saatgut muss das die enthaltene Menge nicht in Gramm oder Kilogramm angegeben werden. Nur bei Arten mit sehr großen Samen (Mais, Erbsen, Bohnen, Prunkbohnen, Dicke Bohnen) und Pflanzen, die großflächig ausgebracht und in größeren Mengen benötigt werden (Rasen, Wildblumenmischungen, Gründüngungspflanzen), wird das gemacht.
Bei Zierpflanzen findet man eine Angabe zur zu erwartende Pflanzenzahl oder der begrünbaren Fläche. Bei Gemüse ist entweder die Pflanzenzahl oder die Länge der ausgesäten Reihen ("reicht für x laufende Meter") zu finden. Die Angaben sind immer durch eine vorangestellen "circa" oder "ungefähr" relativiert. Wir ich es bereits bei der Keimrate erklärt, lässt die Keimfähigkeit mit der Zeit nach. Damit zum Ende der dreijährigen Mindetshaltbarkeit noch die aufgedruckte Menge an Pflanzen erreicht werden kann, wird in Abhängigkeit von der Keimfähigkeit und Geschwindigkeit mit der die betreffenden bei einer Pflanzenart nachlässt mehr Samen eingefüllt. Bei ganz frischem Saatgut keimen also mehr Samen und bei älterem weniger. Wie lang eine Reihe ist, die mit Saatgut ausgesät werden kann, hängt davon ab, wie dicht die Körner gestreut werden.  Geht man sorgfällig vor und mischt feines Saatgut zum Beispiel mit Sand, kann man dünner säen und die Reihe wird entsprechend länger. Wer ungeschickt vorgeht und zu dicht sät bekommt kürzere Reihen und muss viele Pflanzen nach dem Auflaufen entfernen.
Um Enttäuschungen zu vermeiden, sehen Sie vor dem Kauf auf der Packung nach, wieviel Saatgut Sie für ihr Geld bekommen. Bei Hochzuchtsorten sind es oft nur 5 bis 10 SamenkÖrner. Bedenken Sie auch wieviele Pflanzen sie möglicherweise benötigen.  Eine Tomatenpflanze liefert genug Tomaten für den gesamten Jahresbedarf einer Person. Wollen Sie mehrere Sorten ausprobieren, benötigen sie keine 10 oder 20 Pflanzen von jeder Sorte. Benötigen sie wirklich 50 KÖpfe Weißkohl oder 100 Kohlrabi?

2. Achten Sie auf das Abfülljahr

Auf der Rückseite von Saatguttüten sind das Abfülljahr (z.B. WJ 2011/2012) und ein Mindeshaltbarkeitsdatum (z.B. Januar 2015) aufgedruckt. Wählen Sie Saatgut aus, das möglichst frisch abgefüllt wurde. Das Mindesthaltbarkeitsdatum garantiert eine volle Keimfähigkeit nur bei sachgemäßer Lagerung. Das bedeutet, wenn das Saatgut bei 0 bis 10 °C und dunkel gelagert wird, keimt bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums die auf der Packung angebenenen Pflanzenzahl. In den Verkaufräumen von Gartencentern sind die Lagerbedingungen aber nicht optimal.
Nehmen Sie darum nicht die erst beste Tüte vom Haken, sondern prüfen Sie, ob sich dahinter im Regal nicht Saatguttüten befinden, die frischer sind. Altere Chargen können bereits seit der vorangegangenen Saison und über Sommer im Laden gewesen sein. Bei Temperaturen von über 20 °C bleibt die Keimfähigkeit nicht erhalten.

3. Achten Sie auf die Sorteneigenschaften

Bei günstigen Sorten erhalten Sie viel Saatgut für wenig Geld, während sie bei Hochzuchtsorten nur eine Hand voll Körner für eine größere Summe bekommen. Auf das Korn umgerechnte kann der Preis bei teuren Tomaten etwa 45-mal so hoch sein wie bei günstigen (Vergleich: 20 Korn ´Moneymaker´für 0,49 € zu 5 Korn ´Philovita´ für 5,49 €).  Es werden hier aber "äpfel mit Birnen" verglichen. ´Moneymaker´ ist eine Salattomate ohne Resistenzen oder Toleranzen gegen pilzliche Schaderreger. ´Philovita´ war 2007 Testsieger bei einer Verkostung von Aromatomaten mit den Besuchern der Insel Mainau. Sie ist hoch tolerant gegen Kraut- und Braunfäule, der Pilzkrankheit, die oft kurz vor der Ernte die gesamten Pflanzenbestände zusammenbrechen lässt. Mit der teuren Sorte werden sie auch unter ungünstiger Bedingungen wahrscheinlich reichlich Tomaten ernten. Die Günstige müssen Sie dagegen möglicherweise bereits vor der Ernte der ersten reifen Frucht entsorgen.
Bei anderen Gemüsesorten sind außer Resistenzen zum Beispiel die Lagerfähigkeit, Winterhärte und Schoßfestigkeit interessant. Wenn Sie sich gerne Blumen ins Haus holen, sind bei Sommerblumen pollenlose Sorten interessant, weil sie keine Flecken auf den MÖbeln und der Kleidung hinterlassen.
Wählen Sie das Saatgut nicht nach dem Bild auf der Tüte aus, sondern nach den inneren Werten. Bei Sorten ohne Resistenzen müssen sie mit Hilfe von Pflanzenschutzmitteln gegen Krankheiten vorgehen. Wenn Sie häufiger Gemüse anbauen, sollten Sie sich immer für tolerante oder resistente Sorten entscheiden!


Saatgut selbst gewinnen

Wenn Sie Saatgut von ihren eigenen Pflanzen gewinnen wollen, steht dem in der Regel nichts im Weg. Zierpflanzen und auch viele Gemüsepflanzen bilden Blüten, Früchte und Samen ohne unser Zutun. Wenn sie allerdings eine Pflanze sortenrein vermehren wollen, bedarf es etwas mehr Aufwand.
Hybridsaatgut kann nicht weiter vermehrt werden. Bei rein weiblichen Sorten steht beispielsweise gar kein Pollen zur Verfügung und bei anderen Sorten spalten die Nachkommen stark auf und haben nur zu einem Teil die Eigenschaften der Eltern. Für die Saatgutgewinnung sind also alte Landsorten, regionaltypische und andere sortenrein vermehrbare Gemüse- und Zierpflanzensorten nötig. Bei ihnen haben die Nachkommen die gleichen Eigenschaften der Elternsorte, wenn denn der bestäubende Pollen von der gleichen Sorte stammt. Solche Pflanzen kann man sortenrein vermehren und so erhalten oder zur Weiterzucht gezielt mit anderen Sorten kreuzen.
Bei Einjährigen wie Radieschen und Salat, die bereits im Jahr ihrer Aussaat zur Blüte kommen ist die Gewinnung von Saatgut ganz einfach.  Bei zwei- oder mehrjährigen Pflanzen muss man die Eltern überwintern, damit sie im nächsten Jahr zur Blüte kommen. Das ist zum Beispiel bei Karotten, Weißkohl und Rüben der Fall.
Für die Saatgutgewinnung vorgesehene Pflanzen müssen optimale Kulturbedingungen haben, damit sie genug Energie in viele, hochwertige Samen investieren können. Die Pflanzen müssen auch optimal, dass heißt ausgewogen mit nicht zuviel Stickstoff, gedüngt werden. Sie dürfen keinen mangel leiden. Zuviel Stickstoff macht die Pflanzen aber anfällig. Besonders bei zweijährigen Kulturen macht sich das im Winterlager oft durch Fäulnis bemerkbar. Auch zuviel Wasser sollten die Pflanzen vor der Ernte nicht mehr bekommen.
Karotten und Rüben und andere Wurzelgemüse werden im Herbst geerntet und im Winterlager in Sand eingeschlagen bei 1 bis 5 °C stockdunkel gelagert. Kohl wird mit der Wurzel geerntet und in Erdmieten eingeschlagen. Im Folgejahr werden die Pflanzen langsam wieder an Licht gewÖhnt. Nach dem Auspflanzen werden sie einige Zeit mit Schattiernetzen oder Vlies vor zuviel Sonne geschützt. Die Pflanzen müssen gut gewässert werden, weil sie erst einmal neue Wurzeln bilden müssen und nur schwer Wasser aufnehmen können.
Die Samenstände müssen oft gestützt werden, damit sie nicht umfallen. Kontakt mit dem Boden erhöht das Risiko von Fäulnis und ermöglichst die übertragung von bodenbürtigen Schadpilzen. Die Samen tragenden Pflanzen werden oft erstaunlich groß. Blühende Salatpflanzen werden bis zu einem meter hoch und Radieschen bilden ausladende Büsche. Durch die Selektion der besten Pflanzen kann man den Bestand ausdünnen. Weniger gute Pflanzen entfernt. Zur Samenreife hin, kann es sinnvoll sein die Pflanzen mit Folien oder tranpsrenten Kunststoffdächern vor dem Regen zu schützen. Dadurch bleiben nicht nur die Samen trocken, es wird auch die Auswaschung durch den Regen verhindert.
Nach der Bestäubung durch Wind oder Insekten (eventuell auch mit der Hand) bilden sich die Samen. Wenn sie voll entwickelt aber noch voller Wasser sind (Grünreife) sind sie besonder groß. In disem Zusatdn werden zum Beispiel Markerbsen und Bohnen für den Verzehr geernetet. Dann entzieht die Pflanze den Samen Feuchtigkeit und sie schrumpfen, während sie härter werden. Dadurch entsteht ein lagerfähiger Samen, der bei Erbsen und Bohne als Palerbse bzw. Palbohne bezeichnet wird. Die Frucht trocknet ein und die Samen erreichen ihre Vollreife oder Totreife. Die Früchte reißen auf und lassen die Samen hinaus. Dieses voll abgereifte Saatgut ist qualitativ am hochwertigsten. Leider reifen bei vielen Pflanzen die Samen aber nicht alle gleichzeitig. Darum muss man den Fruchstand zu einem Zeitpunkt erntet, an dem die meisten Samen bereits sehr weit abgereift sind, aber noch nicht so viele aus den Früchten herausgefallen sind. Bei Fruchtgemüse erntet man die Früchte vollreif (Paprika und Tomaten bei sortentypischer Färbung, Gurken bei Farbumschlag nach Gelb).

Saatgut reinigen

Die Samen von Fruchtgemüse werden aus dem Fruchtfleisch ausgewaschen. Bei Tomaten und Gurken befindet sich auf den Samen einen keimhemmende Schicht. Die Samen werden mit dem umgebenden Fruchtfleisch ausgekratzt und in ein Glas mit Wasser gegeben. Es kommt zu Gärung und innerhalb von etwa 2 Tagen löst sich die Schicht vom Samen. Der fühlt sich dann nicht mehr glitschig an, sondern ist rau. Er sinkt nach unten, während das Fruchtfleisch nach oben steigt. Optimale Temperatur für die Gärung sind 23 bis 30 °C. Gereinigt wird das Saatgut dann in dem man den überstand abgießt und so lange mit Wasser spült bis alles sauber ist. Samen, die man keiner Gärung unterzeiehen muss (Melone, Kürbis, Aubergine, Andenbeere) reinigt man zum Beispiel in einem Küchensieb unter fließendem Wasser. Zum Trocknen kann man jeweils einen Teelöffel der Samen in Kaffeefilter geben und auf der Wäschleine trocknen. Die Trocknung erfolgt bei 23 bis 30 °C innerhalb von zwei Tagen. Das trockene Saatgut wird dann luft- und lichtdicht verpackt, beschriftet und eingelagert.
Trockenes Saatgut wird entweder direkt geernetet und eingelagert (Erbsen, Bohnen) oder mit dem Fruchtstand geernetet, nachgetrocknet, gedroschen und dann gereinigt. Das Nachtrocknen passiert bei maximal 35 °C in einem warmen trockenen Raum oder mit Silikagel in einer abgeschlossenen Box jeweils über einen Zeitraum von einer Woche. Das trockene Saatgut wird gereinigt. Blatt- und Fruchtreste werden entfernt. Dazu werden die Samen mit passenden Sieben von grÖberen und feineren Partikeln getrennt. Mit Hilfe von Wasser können taube Samen (schwimmen oben) und keimfähige Samen (sinken zu Boden) getrennt werden. Danach wird das Saatgut sofort wieder getrocknet.
Das gereinigte Saatgut wird verpackt, beschriftet und bei 0 - 10 ° C dunkel gelagert (siehe Lagerfähigkeit von Gemüsesamen). Gut geeignet sind Winmachgläser, die mit einem Gummiring luftdicht verschlossen werden können.

Heißwasserbeize

Am Saatgut anhaftende Pilzsporen können den Keimling nach der Aussaat infizieren und abtöten. Gegen viele Pilze hilft ein Behandlung in einem Heißwasserbad.  Bie 50 bis 53 °C über einen Zeitraum von 10 bis 30 Minuten werden mehr als 60 bis 100 % aller Sporen verschiedener Pilze (Alternaria, Septoria, Phoma )und einige Bakterien (Xanthomonas) abgetötet. Das gebeizte Saatgut keimt schneller, die Pflanzen sind wüchsiger und die Erträge höher.
über 53 °C hinaus darf Saatgut nicht erhitzt werden. Bei der Heißwasserbehandlung kommt es teilweise schon nach mehr als 10 Minuten bei 53 °C zur Abnahme der Keimfähigkeit. Bei Karottensaatgut sank im Versuch die Keimfähigkeit von etwa 85 % auf rund 50 % nach einer Behandlung mit 50 bis 53 °C heißem Wasser über einen Zeitraum von 20 Minuten (Nega et al. 2003). Kohl keimt nach einer 20 Minuten Behandlung bei 53°C noch weitgehend normal. Nach 25 Minuten ist die Keimfähigkeit aber bereits deutlich herabgesetzt (Kühne).
Bei der Dampfsterilisation von Saatgut zur Bekämpfung von Pilzen, wird es nur 90 bis 120 Sekunden bei 65 °C behandelt.

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Literatur:

Andrea Heistinger, Arche Noah, Pro Specia Rara (2010): Handbuch der Samengärtnerei.- Ulmer Verlag, Stuttgart

Eva Nega, Roswitha Ulrich, Sigrid Werner, Marga Jahn (2003): Hot water treatment of vegetable seed – an alternative seed treatment method to control seed-borne pathogens in organic farming / Heißwasserbehandlung von Gemüsesaatgut – eine alternative Saatgutbehandlungsmethode zur Bekämpfung samenbürtiger Pathogene im Ökologischen Landbau.- Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz / Journal of Plant Diseases and Protection 110 (3), 220–234


Onlinequellen:

Präsentation "Schädlingsregulierung" von Dr. Stefan Kühne

Saatgut-Portrait: Rote Rübe und Mangold (Beta vulgaris)

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© Wilstermann-Hildebrand 2012 - 2013