"Das Bild der Langsamkeit und der langweiligen Bedächtigkeit steht vor uns, ein Tier, mehr Bauch als Kopf,
mühsam auf platter Sohle kriechend,auf dem Rücken das unsymetrische spriralige Gehäuse schleppend, und darin einen
Eingeweidesack."
Mit diesen Worten beginnt das Kapitel über die Schnecke in Brehms Tierleben (Ergänzungsband 9, 1927).
"Eine treffende Beschreibung", mag der Laie auf den ersten Blick meinen. Tatsächlich sind Schnecken aber nur langsamer als
wir, aber nicht behäbig und schon gar nicht langweilig!
anpassungsfähige Überlebenskünstler
Es gibt rund 80.000 verschiedene Schneckenarten auf der Erde und sie sind unglaublich vielfältig. Rund 40.000 leben im
Meer und 5.000 im Süßwasser. Dazu kommen 35.000 Landschnecken. In Deutschland gibt es etwa 240 Landschneckenarten und rund 70
Süßwasserschneckenarten. Europaweit sind es etwa 1200 Landschnecken und ca. 800 Arten von Süßwasserschnecken.
Die kleinsten bekannten Schnecken sind etwa einen halben Milimeter groß. Die größten Gehäuseschnecke ist die Große
Rüsselschnecke (Syrinx aruanus), mit einer Gehäuselänge von 60 bis 90 cm, und die größte Nacktschnecke eine
Seehasenart (Aplysia vaccaria), die bis zu 75 cm lang wird und bis zu 2 kg wiegt. Die größten Süßwasserschnecken
gehören zur Familie der Apfelschnecken (Ampullariidae) und bilden Gehäuse mit 12 bis 15 cm Durchmesser.
Schnecken besiedeln alle Lebensräume auf der Erde von den Schwarzen Rauchern in der Tiefsee bis ins Hochgebirge, von den
Wüsten am äquator bis auf den Eisschelf der Polarmeere.
Sie fressen abgestorbene Pflanzen und Aas, leben in Symbiose mit Algen oder schweben als Plankton durchs Meer.
Einige Schnecken produzieren Gifte für die Jagd oder für die Verteidigung.
Viele Arten legen Eier. Manchmal mehrere Hunderttausend auf einmal. Andere Schnecken sind lebendgebärend und haben nur wenige
Nachkommen im Jahr. ES gibt Arten, die aktive Brutpflege betreiben und die Eier über Wochen oder Monate bewachsen.
Manche Schnecken sind Zwitter oder wechseln ihr Geschlecht. Aber mindestens genauso viele Arten sind getrenntgeschlechtig und
es gibt Männchen und Weibchen. Bei einigen Arten gibt es sogar nur Weibchen. Mehr zu den verschiedenen Fortpflanzungsarten findets du unter dem Menüpunkt "Biologie".
Manche Arten leben nur wenige Wochen, anderer können über 20 Jahre alt werden. Einige Arten überdauern sogar mehrjährige
Trockenzeiten in den Wadis der afrikanischen Wüsten.
Seit etwa 500 - 570 Millionen Jahren leben schalentragende Schnecken auf der Erde. Ihre Geschichte beginnt, wie die allen Lebens, im Meer.
Inszwischen hat sich eine große Artenvielfalt mit vielen Spezialisierungen entwickelt.
Die Schnecken, die an Land gingen bildeten ihre Kiemen zurück und atmen über eine Lunge. Alle Süßwasserschnecken stammen von ihnen ab.
Zu ihnen gehören sowohl auch die großen Apfelschnecken, die es nahezu unverändert seit 130 Millionen Jahren gibt, als auch die kleinen Blasenschnecken in unseren Flüssen und Seen.
Einige Landschnecken bildeten ihr Gehäuse zurück und wurde zu Nacktschnecken.
Es gibt Schnecken an den ungewöhnlichsten Orten. Die Brunnenschnecken leben in unterirdischen Quellen, im Grundwasser, Thermalquellen und im Schotterbett von Flüssen.
In der Tiefsee leben Schnecken an den Schloten von "Schwarzen Rauchern". Hier schießt rund 400 °C heißes Thermalwasser aus dem Grund und trifft auf des nur 2 - 3 °C kalte Meerwasser.
Der Druck liegt bei 150 - 350 bar und der Salzgehalt bei bis zu 4 %. Die Konzentration von Schwefelwasserstoff an diesen Tiefseethermalquellen ist für die meisten Tiere tödlich.
Trotzdem leben hier Röhrenwürmer, Garnelen, Krabben und eben auch Schnecken.
Eine besonders ungewöhnliche Art ist die "Scaly Snail" (Crysomallon squamiferum).
Diese Schnecke aus der Familie der Peltospirodae lebt in Tiefen von 2145 - 2460 m an der Rodrigues Tripple Junction östlich von Madagaskar.
Ihr braunes, neritoides Gehäuse ist etwa 5 cm groß und hat deutlich abgesetzte Windungen. Ihr Fuß ist an den Seiten mit dachziegelartigen Schuppen bedeckt.
Die etwa 8 mm langen Schuppen bestehen aus Hautlappen mit einer Schicht aus Conchiolin. In diese Hornschicht ist schwarzes, magnetisches Eisensulfat in Form von
Pyrit und Greigit eingelagert.
Auch das Gehäuse ist sehr ungewöhnlich. Die äußerste Schicht besteht aus Greigit, die mittlere aus organischem Material, das dem Periostracum normaler Schneckengehäuse ähnelt,
und die innere Schicht ist aus Calciumcarbonat (Aragonit). Diese Schneckenart ist das einzige bekannte Lebewesen, dass Eisensulfat verstoffwechselt und in sein Skelett einbaut.
Und als wäre das noch nicht genug, ernährt sich die Schnecke ausschließlich von den Eiweißen und Kohlehydraten, die symbiotosche Bakterien in den Zellen ihrer Speicheldrüse produzieren.
Hier gibt es einen Artikel darüber mit Bildern von der Schnecke.
Nicht weniger beeindruckend sind die Schnecken die in der Antarktis bis in Tiefen von 1200 m auf dem Kontinentalschelf leben. Wegen der niedrigen Wassertemperaturen entwickeln sie sich langsam.
Manchmal schlüpfen die Jungschnecken erst nach 12 Monaten aus den Eiern.
Bedeutung von Schnecken für den Menschen
Schnecken haben in der menschlichen Kultur eine größere Bedeutung als es auf den ersten Blick scheint.
In Afrika und Asien ist es üblich Meeresschnecken zu essen und auch in den europäischen und amerikanischen Küstenregionen stehen sie auf der
Speisekarte. Für den menschlichen Verzehr werden vor allem Meerohren (Heliotis), Strandschnecken
(Littorina), Wellhornschnecken (Buccinum), Flügelschnecken (Strombus) und Karibische
Kronenschnecken (Busycon) gefangen. Napfschnecken werden als Futter für Schweine und Hühner verwendet. Landschnecken
wie die Weinbergschnecke und Achatschnecken oder Süßwasserschnecken wie Apfelschnecken werden ebenfalls gegessen. Etwa
450.000 bis 500.000 Tonnen Landschnecken werden jährlich produziert und frisch, gefroren oder in Dosen vermarktet. Etwa 15%
davon stammen aus Farmen, der Rest wird gesammelt (Quelle). Die Schnecken werden hauptsächlich in Europa (Frankreich, Italien,
Spanien) gegessen.
Bei einigen afrikanischen Naturvölkern ist jungen Menschen im fortpflanzungsfähigen Alter der Verzehr von Apfelschnecken
verboten. Bei Mißachtungs dieses Tabus werden sie mit Unfruchtbarkeit bestraft. ältere Mitmenschen dürfen die Schnecken
jedoch essen. Der Grund für dieses Verbot liegt wahrscheinlich darin, dass durch nicht ganz durchgegarte Schnecken Parasiten
übertragen werden können, die dann zur Unfruchtbarkeit führen.
Sehr viele Schnecken sind Zwichenwirte für Parasiten, die ihren Lebenszyklus dann in Fischen, Krebsen, Fröschen, Vögeln oder
Säugetieren beenden. Einige dieser Erreger können auch Menschen infizieren. Die schwerwiegenste von Schnecken übertragenee
Krankheit ist die Bilharziose. Nach Malaria ist sie die am weitesten verbreitete Infektionskrankheit. 200 - 300 Millionen
Menschen sollen weltweit mit dem tropischen Erreger (Schistosoma) infiziert sein und weitere 500 Millionen leben mit
dem Risiko einer Ansteckung. In Europa übertragen Wasserschnecken die Larven von Leberegel auf Vieh und Blutwürmer auf
Fische, wenn die infizierten Schnecken von den Tieren gefressen werden.
Schnecken liefern auch verschiedene Rohstoffe. Der wertvollste ist der echte Purpur. Er wird aus dem farblosen Sekret der
Hypobranchialdrüse von Stachelschnecken und Mitraschnecken gewonnen. Das Sekret dient zum Reinigen der Mantelhöhle. Es
entspricht der Funktion den Sekrete, die wir über die Schleimhäute der Nase abgeben.
Dieses Sekret oxidiert jedenfalls unter Einfluß von Licht und wird purpurn. Einer phönizischen Legende nach nach soll um 1500
vor Christus der Hund eines Schäfers eine Schnecke am Strand gefressen haben. Davon färbte sich seine Schnauze rot. In einer
anderen Version soll es der Hund des persichen Gottes Melkarth (im Griechischen Herakles) gewesen sein. Der schenkte
daraufhin seiner Geliebten, der Nymphe Tyros, ein mit Purpur gefärbtes Kleid. So oder so, die Phönizier waren von da an für
ihre Purpurstoffe berühmt. Die Herstellung von Purpur ist extrem aufwendig. Darum ist Purpur der teuerste Farbstoff
der Welt. Er kostet etwa 2400 bis 2500 € pro Gramm. Vor allem kostet er viel Schnecken das Leben. Für ein Gramm Purpur
benötigt man nämlich 10.000 Hypobranchialdrüsen. In Italien bezeugt der Monte testacea (Schalenberg) bei Tarent, die antike
Purpur-Industrie der Stadt, die für römische Herrscher und christliche Kardinäle die Purpurmäntel färbte. Purpur wurde früher
überall an den Küsten gewonnen. Heute wird er synthetisch hergestellt.
In China dienten Gehäuse der Geldkauri (Cypraea moneta) von etwa 1500 bis 200 vor Christus als "offizielles"
Zahlungsmittel. In Thailand wurde bis in der 19. Jahrhundert Cypraea annulus als "Muschelgeld" verwendet. Wegen
ihrer geringen Größe un dem recht einheitlichen Gewicht verbreitete sich diese Währung weltweit. Sie war unter anderem auch
in Tibet gebräuchlich. Arabische Händler brachten die Schneckengehäuse bis nach Afrika. Um 1850 konnte man im Sudan für eine
Kauri eine Hand voll Bohnen, einen Zwiebel oder eine Schale Wasser bekommen. In Nord Kamerun war ein Ei 8 Kauris wert und ein
Löwenfell zwischenn 4000 und 8000 Kauris. Die Muscheln wurde gerne als Schmuck genommen. Sie dienten auch als Würfel beim
Glückspiel. Der Gattungsname Cypraea leitet sich von der griechischen Liebsgöttin Aphrodite ab, die auch als die zyprische
Götting bezeichnet wurde. Die Pantherschnecke (Cypraea pantherina) war ihr geweiht und wurde als Amulet gegen
Unfruchtbarkeut und Geschlechtskrankheiten getragen. In Germanengräbern aus dem 6. Jahrhundert fand man die Gehäuse im Schoß
von Frauen.
Auch als Schmuck werden Schneckengehäuse verwendet. Die ungarischen Husaren verzierten die Geschirre ihrer Pferde mit Kauris.
Etwas ausgefallen ist die Verwendung von Gehäuseteilen von Trochus oder ganzen Gehäusen von Dentalium zum
Durchstechen von Nase und Ohren. Ein Brauch der von einigen Stämmen Papua-Neuguineas und Stämmen der amerikanischen
Ureinwohner bekannt ist.
Die innere Gehäuseschicht, der Perlmutt, findet Verwendung bei der Schmuckherstellung und bei Einlegarbeiten an Möbeln. Auch
die Gehäusedeckel mancher Arten sind ganz hübsch. Die Maoua-Perle ist zum Beispiel der Gehäusedeckel des Gobelin-Turbans
(Turbo petheolatus).
Darüber hinaus haben Schneckenschalen auch praktischen Nutzen. Aus den Gehäusen von Terebra wurden in der Südsee
Meißel hergestellt, die zum Bootsbau verwendet wurden. Aus anderen Gehäusen kann man Nadeln, Angelhaken und Bohrer
herstellen. Die Schalen von Meerohren sind praktische Löffel. Die angeschliffenen Gehäuse von Conus und
Cypraea wurden als Messerklingen benutzt. Besonders stabile Schalen dienten als Kopf für äxte, Beile oder Hacken.
Zum Teil wurden auch Waffen und Rüstungen aus Schneckengehäusen gefertigt. Heute haben Schneckengehäuse nur noch als Sammlerobjekt eine Bedeutung.
Auf die Schnecken gekommen
Im Jahr 2000 wollte ich eigentlich nur wissen, wie ich die Apfelschnecken-Art erkenne, die im Aquarium keine Pflanzen
frisst. Ich fing also an mir die Artbeschreibungen für Schnecken anzusehen und stellte dabei fest, dass hier Begriffe benutzt
wurden, die mir völlig unbekannt waren. Es war sehr mühselig, Erklärungen für alle Fachausdrücke rund um die Anatomie und das
Verhalten von Schnecken zu finden. Das Hauptproblem war das Fehlen von Bilder in wissenschaftlichen Veröffentlichung. Zum
Beispiel haben Apfelschnecken und andere Vorderkiemer einen Gehäusedeckel. Der Fachbegriff dafür ist "Operculum". So ein
Operculum kann oval, elliptisch, rund oder klauenförmig sein. Es ist multispiral, paucispiral, konzentrisch mit spiralem
Nukleus oder es hat einen subzentralen oder apikalen Nukleus. Opcercula können sogar exzentrisch sein.
Leider gibt es nirgends einen bebilderten Katalog in dem all diese Formen nebeneinander dargestellt werden. Darum konnte ich
mit diesen Bezeichnungen gar nichts anfangen. Bei der Recherche stieß ich auf immer neue fremde Begriffe wie
"Simultanzwitter", "Veliger", "Carina" oder "Radula". Es dauerte Monate, bis ich aus zahlreichen Quellen die Informationen
zusammengetragen hatte, was die verschiedenen malakologischen Fachbegriffe bedeuten.
Inzwischen hatte ich die richtigen Apfelschnecken in meinem Aquarium. Aber es gibt ja noch so viele andere. Nach etwa einem
Jahr standen in meinem WG-Zimmer 18 Aquarien und ungezählte kleine Gläser mit Süßwasserschnecken im Regal und auf der
Fensterbank. Mehr als 80 Arten waren es zeitweilig. Ich begann Artikel über Schnecken zu schreiben und hielt Voträge zu dem
Thema "Schnecken im Aquarium". Das Interesse war erstaunlich groß und bei vielen meiner Zuhörern stand plötzlich nicht mehr
die Bekämpfung der Tiere im Vordergrund. Schnecken sind Bestandteil der Lebensgemeinschaft im Aquarium und ihr Fehlen wie
auch ihre Massenvermehrung sind ein Zeichen für ein Ungleichgewicht.
Das gilt auch für Landschnecken im Garten.
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Online-Quellen:
http://www.applesnail.net
Homepage von Stijn Ghesquiere (Belgien), ausführliche Informationen über verschiedene Apfelschneckenarten
http://www.mollbase.de/
Database of Mollusca Nationale Datenbank der Binnenmollusken in Deutschland
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