Familie Thiaridae

geschwungene Linie
Malayische Turmdeckelschnecke
Korkenzieher-Schnecke
Stachel-Turmdeckelschnecke
Genoppte Turmdeckelschnecke
Behaarte Turmdeckelschnecke
Stachel-Turmdeckelschnecke

Von den anderen Schneckenfamilien in der überfamlie der Nadelschnecken (Ceritioidea) kann man die Thiaridae daran unterscheiden, dass ihre Mündung oval ist und keine Siphonalrinne hat. Das Operculum ist klauenförmig mit konzentrischen Wuchslinien und einem randständigen Nukleus. Es gibt lebendgebärende Arten, aber auch solche, die Eier legen oder schwimmende Larven ausstoßen. In der Familie gibt es 13 Gattungen.
Aylacostoma Spix, 1827
Balanocochlis P. Fischer, 1885: Südostasien, westlicher Indopazifik
Culenmelania Qian, Yang & He, 2012
Hemisinus Swainson, 1840: Südamerika
Melanoides Olivier, 1804: Afrika, Südostasien, westlicher Indopazifik
Mieniplotia Low & Tan, 2014
Pachymelania E. A. Smith, 1893
Ptychomelania Sacco, 1895 (fossil)
Ripalania Iredale, 1943
Sermyla H. Adams & A. Adams, 1854: Südostasien
Stenomelania P. Fischer, 1885: Südostasien, Indopazifik
Tarebia H. Adams & A. Adams, 1854: Südostasien, Indopazifik
Thiara RÖding, 1798: Südostasien, westlicher Indopazifik

Anatomie und Fortpflanzung

Turmdeckelschnecken sind getrenntgeschlechtig. Die meisten vermehren sich aber durch Parthenogenese (Jungfernzeugung). Bei der Malaiischen Turmdeckelschnecke (Melanoides tuberculata) gibt es nur in wenigen Populationen Männchen, die dann meist auch nicht fortpflanzungsfähig sind. In der Aquaristik sind nur Weibchen bekannt. Viele Arten sind lebend gebärend (ovovivipar). Sie geben durch ihre Geschlechtsöffnung Eier in eine Bruttasche hinter ihrem Kopf ab. In dieser Bruttasche schlüpfen die Jungen und werden mit einer Größe von 2 bis 3 mm durch die Geburtspore auf der rechten Seite der Tasche geboren. Es kommt aber auch vor das Larven frei gesetzt werden (Thiara cancellata).
Typisch für diese Familie sind die schlanken, festen, hoch getürmten Gehäuse. Die Oberfläche kann glatt oder geriffelt, mit Dornen oder Noppen besetzt sein. Das hornige Operculum ist konzentrisch mit randständigen Nukleus. Die Fühler sind fadenförmig. Die Schnauze ist zu einem auffälligen, flachen Rüssel ausgezogen.



Leben im Aquarium

Turmdeckelschnecken sind typische Abfallfresser. Sie suchen im Boden nach sich zersetzenden organischen Materialien. Als Nahrung dienen Detritus und Mikroorganismen.
Es werden auch Algen abgeweidet und wahrscheinlich auch Schwebstoffe filtriert, aber die Hauptnahrung stellen organische Abfälle dar. Vor allem in Aquarien in denen viel gefüttert wird, neigen diese Schnecken zur Massenvermehrung.
Im Gesellschaftsaquarium vergraben sich die Schnecken tagsüber im Substrat und kommen nur nachts zur Nahrungssuche oder bei extremem Sauerstoffmangel heraus. Wenn sie ohne Fische gehalten werden, kommen sie aber auch tagsüber an die Oberfläche. Darum werden Turmdeckelschnecken auch als "Regenwürmer des Aquariums" bezeichnet. Allgmeine wird angenommern, dass sie Futterreste und Fischkot im Boden fressen und so die Bildung von Mulm und Fäulnis verhindern können. Es wird als positiv angesehen, dass sie den Boden durchwühlen und so Fischkot und andere Abfälle an die Wurzeln der Pflanzen bringen, die daraus dann Nährstoffe entziehen. Jedes Tier produziert aber auch selber Abfall. Die Futterreste verschwinden also nicht - es wird nur Schneckenkot daraus. Dieser wiord dann von Bakterien und anderen Mikroorganismen weiter zersetzt, so dass für die Pflanzen das Nitrat und Phosphat daraus frei wird. Dafür brauchen die Mikroorganismen Sauerstoff. Den finden sie jedoch nur in der obersten Schicht des Substrat. Ist der Bodengrund zu hoch und der Gasaustausch durch Verdichtungen behindert, kommt es unter Sauerstoffmangel in tieferen Substratschichten zur Bildung von Faulgasen.
Auch wenn im Aquarium ein Boden aus mehreren verschieden gekÖrnten Schichten eingebracht ist (Nährboden, Kies, Sand), vermischen die Turmdeckelschnecken die verschiedenen Bodenfraktionen. Wenn mehrere Schichten mit verschiedener Korngröße verwendet werden, dann können durch ihre Grabtätigkeit die Poren des Substrates verstopfen, weil die kleinen Partikel zwischen die großen geraten. Dadurch wird der Wasser- und Sauerstoffaustausch zwischen Boden und freiem Wasser erschwert. Dann fördern die Schnecken eher die Bildung von Mulm und Fäulnis, als das sie diese verhindern.
Turmdeckelschnecken fressen nicht die Wurzeln von Pflanzen ab. Sterben die Pflanzenwurzeln aber wegen ungünstiger Bodenverhältnisse, fressen die Schnecken natürlich den rottenden Pflanzenbrei.



Turmdeckelschnecke

Die Fransen am Mantelrand sind nicht immer zu sehen.

Turmdeckelschnecke im Aquarium

Es gibt verschiedene Farbschläge der Malaiischen Turmdeckelschnecke.


Die Indische oder Malaiische Turmdeckelschnecke - Melanoides tuberculata

Gehäuse in verschiedenen Größen

Gehäuse einiger Melanoides aus dem Heviz-Kanal in Ungarn.

Eine sehr anpassungsfähige Art. Sie lebt sogar in der Sahararegion in temporären Gewässern in Algerien, Libyen, Tschad und Mauretanien. Trockenzeiten von mehreren Monaten überdauern sie vergraben im Substrat. Sie ist sehr häufig in unseren Aquarien zu finden und hat es sogar geschafft in einigen dauerhaft warmen Gewässern in Europa Fuß zu fassen. Temperaturen unter 15°C vertragen die Tiere jedoch nicht.
Ihre Gehäusefarbe variiert von oliv- oder gelbgrün bis rotbraun. Typisch sind rostrote Querstriche. Der Körper ist fahlgelb, gräulich bis dunkelgrau. Das Gehäuse kann bis 65 mm hoch und 20 mm breit werden. In Aquarien bleiben die Tiere kleiner. Selten erreichen sie mehr als 25 mm. Das Operculum ist hornig. Es weist fächerförmige Zuwachslinien auf.
Das Verhältnis der Gehäusehöhe zur Breite ist nicht arttypisch. Es ist auch nicht mit der StrÖmungsgeschwindigkeit des Gewässers, der Wassertemperatur oder mit der Größe der Tiere korreliert. Im Heviz-Kanal in Ungarn variiert das Verhältnis der Höhe zur Breite unabhängig von der Gehäuselänge an einem etwa 25 m langen Gewässerabschnitt zwischen 1,88 und 4,82. Im Durchschnitt liegt das Verhältnis der Höhe zur Breite bei 3 zu 1.
Die Tiere wurden vermutlich um 1920 zum ersten Mal gezielt als Aquarientiere nach Deutschland eingeführt. Allerdings wurden sie 1937 noch als Neuheit betrachtet und waren auch um 1950 noch recht unbekannt.
Ursprünglich war die Art vom tropischen Afrika (Kap der Guten Hoffnung bis ca. 15 ° nördliche Breite) bis in den indischen Raum und in Australien verbreitet. Heute sind diese Turmdeckelschnecken Kosmopoliten. Sie wurden in Florida, Neuseeland und Brasilien eingeschleppt. Sie leben in (schnell fließenden) Flüssen. Sie sind brackwasser-tolerant. In Aquarien mit einem Salzgehalt von etwa 20 ‰ können die Tiere völlig normal leben und sich fortpflanzen.





Gattung Pachymelania

Die Gattung ist endemisch in Westafrika. das Verbreitungsgebiet reicht vom Senegal bis nach Angola. Aus der Gattung Pachymelania sind 2004/2005 zwei Arten kurzzeitig importiert worden - die Dornen-Turmdeckelschnecke (Pachymelania byronensis) und die Korkenzieher-Schnecke (Pachymelania fusca).
Durchgesetzt haben sich beide Arten aber nicht. Problematisch war, dass irrtümlichen an Stelle der Dornen-Tumdeckelschnecke die Brackwasserschnecke Tympanotonos fuscatus nach Europa kam. Da diese im Süßwasser nicht überlebt, war eine erfolgreiche Haltung dieser "Dornen-Turmdeckelschnecke" nicht möglich.
Darum waren die Tiere nie sehr verbreitet und verschwanden zum Glück schnell wieder wieder aus dem Handel. Diese Probleme hätten leicht vermieden werden können, wenn sich die Importeure die Mühe gemacht hätten, zumindest die Schneckenfamilien richtig zu bestimmen. Leider wird es vor allem bei Schnecken mit der Identifikation nie sehr genau genommen, so dass sie oft als bunter Artenmix unter falschen oder frei erfundenen Fantasienamen importiert werden. Die Folge von dieser Gleichgültigkeit ist unter anderem das Importverbot von Apfelschnecken der Gattung Pomacea.

Korkenzieherschnecke - Pachymelania fusca

Gehäuse einer Korkenzieherschnecke Pachymelania fusca. Bei diesem Exemplar sind die charakteristischen Windungskiele stark erodiert.


Die Korkenzieherschnecke kommt in West-, Süd- und Zentralafrika vor. Die Tiere leben im Süß- und Brackwasser mit Salzgehalten von 0,02 - 15 ‰. Der Salzgehalt im Lebensraum hängt von der Jahreszeit (Regenzeit/Trocjenzeit) ab. Sie kommen in Mangrovengebieten vor, woe sie Detritus vom aus dem Schlamm fressen. Manchmal kommen sie zusammen mit Tympanotonos fuscatus vor.
Die Schnecke hat kräftige Windungskiele, die sich schraubig um das gesamte Gehäuse winden. Das Gehäuse wird etwa 5 bis 6 cm hoch. Oft sind die gehäusespitzen aber erodiert.
Die Tiere sind getrenntgeschlechtlich ohne äußere Geschlechtsmerkmale. Das Geschlchtsverhältnis beträgt in der Natur 1:1. Die Ovarien der geschlechtsreifen weiblichen Tiere sind hell grün. Die Testis der geschlechtsreifen Männchen ist leuchtend orange.
Es werden schwimmende Larven frei gesetzt.



Stachel-Turmdeckelschnecke - Pachymelania bryonensis

Die Stachel-Turmdeckelschnecke ist die einzige Art der Gattung, die nur im Süßwasser vorkommt. Die Dornen-Turmdeckelschnecke stammt aus Westafrika. Sie hat auf den Windungen kräftige große Dornen. Das Gehäuse wird etwa 5 bis 6 cm hoch. Oft sind die Gehäusespitzen aber erodiert.








Genoppte Turmdeckelschnecke - Tarebia granifera

Die "NÖppi" ist zumindest vom Namen her sehr bekannt. Meist werden die Tiere aber wohl mit Thiara scabra verwechselt. Das einfarbig weiße oder hellbraune bis dunkel rotbraune Gehäuse dieser Art wird bis 25 mm hoch und etwa 1,3 cm breit. Auf den wenig gewölbten Windungen sind 4 bis sechs Reihen von Tuberkeln (Knoten). Bei ihrer Geburt sind die Tiere etwa 2 mm groß. 97 Tage später, mit einer Größe von etwa 6 mm, produzieren sie bereits selber Nachkommen. Abhängig von der Größe der Mutter können bis zu 30 Jungtiere in der Bruttasche sein. Durchschnittlich sind es bei Tieren mit einer Gehäusehöhe von 14 bis 22 mm etwa 15 Jungtiere. Männchen sind selten oder fehlen ganz. Die Tiere leben in allen Arten von Gewässern. Schnell strömende Flüsse werden jedoch bevorzugt besiedelt. Das natürliche Verbreitungsgebiet reicht von Indien und Sri Lanka nach Osten bis zu den Philippinen und Hawaii. Im Norden bis nach Südjapan und südlich bis zu den Gesellschaftsinseln. Heute ist die Art weltweit in den Tropen und Subtropen verbreitet. Man findet sie unter anderem in Florida (seit 1947), Texas, Costa Rica, Puerto Rico (seit 1953) und in Südafrika (seit 1996). Die Art ist sehr konkurrenzstark und verdrängt zum Teil einheimische Arten aus den Gewässern, in die sie eingeschleppt wurde. Die Tiere sind Zwischenwirt für den asiatischen Lungenwurm (Paragonimus westermani). Ihr Verbreitungsgebiet ist durch die Temperatur begrenzt. In Gewässern mit Tiefsttemperaturen unter 10 °C kommt die Genoppte Turmdeckelschnecke nicht vor. Ihre Letaltemperatur wurde im Experiment mit 7 °C bestimmt.

Gestreifte Turmdeckelschnecke Tarebia lineata Tarebia lineata.



Gestreifte Turmdeckelschnecke, Spiky Turmdeckelschnecke - Tarebia lineata

Diese Schnecken ist bei uns als Aquarienschnecke seit etwa 2012 bekannt. Das Gehäuse ist hellbraun bis gelblich mit feinen braunen Spirallinien. Es ist 0,7 bis 2,5 cm hoch und oft an der Spitze erodiert. In der Natur ist es oft von dunklen belägen bedeckt. Die Windungen sind wenig gewölbt, haben aber entlang der Naht ein Reihe von Knoten, durch die sie sich deutlich von einander absetzen. Kopf und Körper der Schnecke sind grau pigmentiert. Die Fußsohle ist weiß bis rosa und breit.
Das Verbreitungsgebiet liegt in Südostasien und erstreckt sich von Indien bis nach Bali (Indien, Bangladesh, Bhutan, Sri Lanka, Myanmar, Nepal).
Die Art vermehrt sich durch Jungfernzeugung und ist lebendgebärend.





Stachel-Turmdeckelschnecke - Thiara scabra

Stachel-Turmdeckelschnecke

Schnecke mit erodierten Stacheln.
Stachel-Turmdeckelschnecke

Thiara scabra im Aquarium



Das Gehäuse ist schmal kegelförmig bis gedrungen turmförmig. Nahe der Naht stehen nach hinten gerichtete Stacheln. Oft sind diese Stacheln erodiert oder abgebrochen. Auf den Windungen sind mehr oder weniger stark Tuberkeln (Knoten) ausgebildet. Das Gehäuse wird etwa 1,5 cm hoch.
Die Schnecken können problemlos in Aquarien gehalten werden. Sie werden aber von Melanoides tuberculata verdrängt. Ihre Vermehrungsrate ist deutlich niedriger als die der Malaiischen Turmdeckelschnecke.
Hält man die Tiere zusammen mit Fischen, vergraben sie sich meist den ganzen Tag im Bodengrund und kommen nur nachts heraus. Aber auch in einem Artbecken leben die Tiere eher versteckt. Dieses Schnecken setzen fertige Jungschnecken aus einer Bruttasche frei. Sie wachsen sehr langsam, sind aber produktiv.









Thiara cancellata, die Haarige Turmdeckelschnecke Die Schnecken vergraben sich gerne im Substrat und sind selten zu sehen.
Thiara cancellata, die Haarige Turmdeckelschnecke

Haarige Turmdeckelschnecke - Thiara cancellata



Thiara cancellata hat die typische lange Schnauze der Thiariidae. Ihr Gehäuse ist ungewöhnlich gedrungen für eine Turmdeckelschnecke.

Diese Art entspricht nicht unserer Vorstellung von einer typischen Turmdeckelschnecke. Warscheinlich wurde sie deshalb kurz nach ihrer Ersteinführung als neue "Neritina sp." in einem Aquarienmagazin vorgestellt.
Das bräunliche Gehäuse wird bis etwa 3 cm hoch. Es ist kegelförmig und weist feine Spiralrillen und charakteristische, borstige Peristrokalhaare auf. Die Haare brechen teilweise ab und sind nur noch als kurze Stoppeln feststellbar. Die Schnauze ist rüsselartig verlängert und abgeflacht. Die MundÖffnung ist klein. Die Augen sind an der Außenseite der Fühler. Die Fußsohle ist breit oval. Der Gehäusedeckel ist tropfenförmig, hornig und weist fächerförmige Wuchslinien auf. In den Merkmalen der äußeren Weichteile gleichen sie deutlich der Malaiischen Turmdeckelschnecke.
Die Tiere sind getrenntgeschlechtig. Die Weibchen tragen die befruchteten Eier ein einer Bruttasche, bis daraus schwimmende Larven schlüpfen die sie ins Wasser entlassen. Eine Nachzucht im Aquarium war bisher nicht möglich. Vermutlich treiben die Larven wie bei den Neritidae zum Meer und entwickeln sich dort im Brackwasser.
Die Schnecken können bei Temperaturen zwischen 22 und 28 °C im Süßwasseraquarium gehalten werden. Sie schädigen keine Pflanzen und sind für andere Tiere ungefährlich. Die Schnecken graben sich oft ein und sind im Aquarium selten zu sehen.
Sie fressen Futterreste, die sie auf und im Substrat suchen. Teilweise werden weiche Aufwüchse von festen Substraten abgeweidet.




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Literatur:

Rosemary I. Egonmwan (2007): Reproductive Cycle of the Mangrove Prosobranch, Pachymelania fusca (Gmelin, 1791) var. quadriseriata (Gray) (Gastropoda: Melaniidae) in Lagos, Nigeria. Pakistan Journal of Biological Sciences, 10: 649-653
F. Seidl (1998): Erstnachweis von Pachymelania byronensis (WOOD 1828) für und Vorkommen von Galatea paradoxa (BORN 1778) in Sierra Leone.- Mitt. Zooglges. Braunau Bd. 7. Nr. 2: 115-119
Wilstermann-Hildebrand, M. (2012): Tarebia lineata.- Amazonas 42, 76
Systematik der Thiaridae bei WoRMS
Daten zu Pachymelania fusca
Daten zu Pachymelania bryonensis

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