F1-Hybriden

geschwungene Linie

Über nichts streiten Hobbygärtner mehr, als über F1-Hybriden. Viele lehnen es ab, F1-Hybriden zu verwenden, weil sie keine oder eine völlig falsche Vorstellung davon haben, was das eigentlich ist. Um es kurz zu sagen: Eine F1-Hybride bei Tomaten, Gurken oder anderem Gemüse ist eine Kreuzung aus zwei samenfesten Sorten.

Im Folgenden wird deutlich werden, dass F1-Hybriden
1. nichts mit Gentechnik zu tun haben
2. keinen eingebauten Kopierschutz haben
3. natürlicher sind als samenfestes Sorten
4. gesünder sind und mehr Ertrag bringen

Aufteilung von Chromosomen bei der Meiose

In Körperzellen liegen alle Chromosomen doppelt vor. Eine Version haben wir von unserer Mutter, die andere von unserem Vater. Bei der Bildung von Eizellen und Spermien bzw. bei der Bildung von Ei-Anlagen und Pollen werden die Chromosomenpaare getrennt. In den Geschlechtszellen liegen dann alle Chromosomen nur noch einmal vor. Ihre Verteilung ist zufällig. Je mehr Chromosomen ein Lebewesen hat, desto mehr verschiedenen Kombinationen sind möglich. Sie ergibt sich aus den 2 Chromosomen pro Paar hoch die Zahl der Paare.
Pferdespulwurm: 2 Chromosomen = 22 = 4
Stechmücke: 6 Chromosomen = 26 = 64
Erbse: 7 Chromosomen = 27 = 128
Tomate: 12 Chromosomen = 212 = 4096
Mensch: 23 Chromosomen = 223 = 8.388.608

Rekombination bei der Befruchtung

Bei der Befruchtung treffen Eizelle und Spermium bzw. Ei-Anlage und Pollen aufeinander. Dabei kommt es zu einer zufälligen Neukombination der Chromosomen.


Ergebnisse der Kreuzung

Bei einem Organismus mit nur 2 Chromosomen-Paaren gibt es 4 mögliche Kombinationen der Chromosomen in den Geschlechtszellen. Bei einer Selbstbefruchtung besteht eine 25 %ige Chance, dass die Nachkommen mit der Mutter identisch sind. Bei der Tomate mit 12 Chromosomen sind 16.777.216 Kombinationen möglich. Nur wenn in allen Chromosmenpaaren immer beide Chromosomen gleich sind (homozygot), kann aus einer Selbstbefruchtung immer ein Nachkomme entstehen, der mit der Mutter identisch ist. Das wird als "samenfest" bezeichnet.

Woher stammen die Begriffe "F1" und "Hybride"?

1854 begann Gregor Johann Mendel gezielt Erbsen zu kreuzen und die Vererbung ihrer Eigenschaften zu beobachten. Er beschrieb die Verteilung der Eigenschaften der Eltern auf die Tochtergenerationen. Da zu der Zeit Latein die Sprache der Gelehrten war verwendete er für die Beschreibung lateinische Begriffe. Die erste Tochtergeneration bezeichnete er nach dem lateinischen Wort "filia" für Tochter als erste Filial-Generation. Die Enkelgeneration war dann die zweite Filial-Generation. Als Abkürzungen verwendete er dafür die Abkürzung F1 und F2. Ganz generell nannte er die Ergebnisse aller seiner Kreuzungen Hybriden, nach dem lateinischen Wort "hybrida", das Mischling bedeutet. 1866 veröffentlichte Mendel seine Ergebnisse in der Schrift "Versuche über Pflanzenhybriden". Darin sind die Mendelschen Regeln zur Vererbung beschrieben. Diese Begriffe sind also bereits 150 Jahre alt.



Was bedeutet "F1-Hybride"?

Der Begriff F1-Hybride wird bis heute verwendet, um die Position einer Kreuzung in einem Stammbaum zu beschreiben. Durch die Kreuzung von zwei Eltern, der Elterngeneration (Parentalgeneration = P) entsteht die erste Filialgeneration. Diese werden als F1-Hybriden bezeichnet. Werden F1-Hybriden gekreuzt, entstehen F2-Hybriden - die zweite Tochtergeneration. Danach kommt die dritte Tochtergeneration F3 und so weiter. Mehr lässt sich aus dem Begriff nicht ableiten.



Warum werden F1-Hybriden als Saatgut angeboten?

Das Saatgutverkehrsgesetzt scheibt vor, dass von bestimmten Gemüsearten (Tomaten, Kartoffeln, Erbsen etc.) und Kräutern nur Saatgut in den Handel darf, wenn die Eigenschaften der Sorten genau definiert sind. Jede einzelne Pflanze muss den Sorteneigenschaften entsprechen und damit muss eine Sorte in sich einheitlich sein, damit sie verkauft werden darf.
Um das zu erreichen gibt es zwei Möglichkeiten. Pflanzen können so lange durch ständige Inzucht mit sich selbst gekreuzt und dann auf die gewünschten Typen selektiert werden, bis reinerbige, homogene, samenfeste Sorten entstehen. Das dauert aber mehrere Jahre und es gehen Eigenschaften verloren, die die ursprünglichen Pflanzen hatten.
Züchter haben viele Inzuchtlinien aus samenfesten Sorten, die sie als Ausgangsmaterial für die Zucht nutzen. Kreuzt man zwei homozygote Inzuchtlinien (also zwei samenfeste Sorten) miteinander, erhält man eine bessere, leistungsfähigere und wüchsigere Sorte. Das wird als Heterosis-Effekt (Wikipedia) bezeichnet. Da diese F1-Generation einheitlich ist, erfüllt sie die Anforderungen des Sortenrechts und kann als Sorte vermarktet werden. Der Züchter spart dadurch nicht nur viel Zeit, sondern kann auch die Leistungssteigerung durch den Herterosis-Effelt nutzen.

Warum sind F1-Hybriden einheitlich die F2-Generation aber nicht mehr?

Die F1-Hybriden, die als Sorten vermarktet werden, stammen aus Kreuzungen von verschiedenen Eltern, die in ihren Merkmalen reinerbig (homozygot) sind. Mendel beobachtete, dass bei der Kreuzung von reinerbigen Eltern, die erste Generation immer einheitlich (uniform) ist (1. Mendelsche Regel: Uniformitätsregel). In Bezug auf die Merkmalsausprägung gibt es dabei zwei Möglichkeiten.

1. dominant rezessiver Erbgang
Bei einem dominant-rezessiven Erbgang bekommen die Nachkommen jeweils ein dominantes (aktives) Gen von einem Elternteil und ein rezessives (unaktives) Gen vom anderen Elternteil, weil ja ein Elter nur dominante und der andere nur rezessive Kopien von dem Gen hat, wenn er homozygot ist. In der Tochtergeneration wird sich nun das dominante Gen durchsetzen und seine Merkmale ausprägen. Bei Tomaten gibt es zum Beispiel die sogenannten "Hellfruchtsorten". Bei ihnen ist das Gen SIGLK2 inaktiv, das für die Bildung von Chlorophyll in der Frucht verantwortlich ist. Sie haben die rezessive Form dieses Gens, bilden kein Chlorophyll in den Früchten und bekommen deshalb keinen Grünkragen. Sie können darum in der Frucht aber auch keinen Zucker bilden, sodass ihnen 20% der Süße fehlt, die andere Tomatensorten haben. Kreuzt man Hellfruchttypen sie mit einer Tomatensorte, die eine dominante Form des Gens hat, sind die Nachkommen alle Mischerbig und haben jeweils eine dominante und eine rezessive Kopie des Gens. Die F1-Generation ist einheitlich, aber mischerbig. Sie hat die Veranlagung zur Grünkragenbildung. Kreuzt man nun die F1-Hybriden miteinander kommt die 2. Mendelsche Regel zum Tragen: die Spaltungsregel. Die Spaltungsregel besagt, dass bei der Kreuzung von zwei mischerbigen (heterozygoten) Eltern, die Nachkommen in ihren Eigenschaften aufspalten. Die Eltern bilden Keimzellen (Eizelle und Sperma oder Samenanlage und Pollen), die jeweils immer nur eine Kopie jedes Gens enthalten. Wenn die Eltern homozygot sind, sind die Gene in allen Keimzellen gleich. Bei Mischerbigen Eltern unterscheiden sie sich aber. Beide Elternteile geben also nach dem Zufallsprinzip einmal ein dominanten oder ein rezessives Gen weiter. Das hat zur Folge, dass in der Folgegeneration (F2) Nachkommen auftreten, die entweder reinerbig dominant, mischerbig oder reinerbig rezessiv sind im Verhältnis 1:2:1. Die mischerbigen und die reinerbig dominanten zeigen dann das entsprechende Merkmal - in unserem Beispiel den Grünkragen - die reinerbig rezessiven nicht. Sie machen nur 25 % der Nachkommen aus.

2. intermediärer Erbgang
Beim intermediären Erbgang wird durch die Kombination der Elterngene in der F1-Generation eine Mischform ausgeprägt. Hat zum Beispiel eine Pflanze die Anlagen zur Bildung von roten Blüten und die andere die Anlage für weiße Blüten, dann blüht bei einer intermediären Merkmalsvererbung die aus einer Kreuzung entstehende F1-Hybride rosa. Das ist zum Beispiel bei Erbsen, Wunderblumen und Fleißigen Lieschen der Fall. In der F2-Generation kommt es dann wieder zur Aufspaltung (2. Mendelsche Regel). Das Ergebnis ist, dass im Verhältnis 1:2:1 Nachkommen mit roten, rosafarbenen und weißen Blüten entstehen. Möchte man Samen gewinnen aus dem nur rot oder weiß blühende Pflanzen entstehen, muss man die reinerbigen roten oder die weißen Pflanzen weiter vermehren. Möchte man aber eine möglichst vielfältige Mischung, dann muss man die rosafarbenen miteinander kreuzen. Mischungen von Fleißigen Lieschen sind darum oft F2-Hybriden. Das garantiert das alle Blütenfarben auftreten werden. Die rosafarbenen machen dabei immer etwa die Hälfte aus und das nicht weil das Saatgut billiger ist oder weil falsch gemischt wurde, sondern weil das einfach durch die Genetik vorgegeben ist.



Kann man aus F1-Hybriden Samen gewinnen und neue Pflanzen daraus ziehen?

Ja. Wenn die Blüten bestäubt sind und sich Samen bilden können aus diesen Samen auch wieder neue Pflanzen herangezogen werden. Aus Zucchini-Samen wachsen Zucchini, aus Kürbissamen wachsen Kürbisse und aus Tomatensamen neue Tomaten. F1-Hybriden sind weder unfruchtbar, noch ist es verboten sie zu vermehren. Sie haben auch keinen "eingebauten Schutz", um die Nachzucht zu verhindern. Sie verfügen aber über eine sehr große Bandbreite an Eigenschaften, die sich bei einer Kreuzung gemäß den Mendelschen Regeln weitervererben und dann in den Nachkommen mal mehr und mal weniger stark ausgeprägt sind. Kurz: die Nachkommen sind genetisch nicht identisch mit ihren Eltern. So wie wir nicht genauso aussehen wie unsere Eltern, sind auch die Nachkommen der Pflanzen von ihren Eltern verschieden. Wird zum Beispiel eine Tomatensorte wie die F1-Hybride ´Harzfeuer´ durch Selbstbestäubung vermehrt, dann wird die F2-Generation eine Mischung aus anders aussehenden Pflanzen sein. Das bedeutet, dass die Pflanzen größer oder kleiner sind. Ihre Blätter sind anders geformt oder gefärbt. Sie blühen vielleicht früher oder später. Der Ertrag kann geringer oder höher sein. Die Früchte können kleiner oder größer sein. Oder sie haben eine etwas andere Form oder färben sich anders als die ursprüngliche F1-Hybride. Sie können sich in eine Merkmal von der Mutter unterscheiden oder in vielen. Aber es werden essbare Tomaten heranwachsen, aus denen dann auch wieder neue Samen gewonnen und neue Pflanzen herangezogen werden können. Einige von den Früchten der F2-Generation schmecken vielleicht sogar besser. Wer hier seine Favoriten immer wieder durch Selbstbestäubung vermehrt und über Jahre selektiert, kann nach etwa 10 bis 15 Jahren eine eigene samenfeste Sorte züchten.

Was ist der Unterschied zwischen "samenfest" und "F1-Hybriden"?

Auf einer Internetseite, die den Unterschied zwischen samenfesten Sorten und F1-Hybriden erklärt und dabei die F1-Hybriden eindeutig ablehnt, steht zu lesen: "Oftmals werden in der Natur nicht vorkommende Inzuchtlinien erzwungen, um in der F1 gewünschte Eigenschaften hervorzubringen." Das ist richtig. Durch wiederholtes kreuzen der Pflanzen mit sich selbst und die wiederholte Selektion der gewünschten Typen, werden im Verlauf von etwa 10 bis 15 Jahren homozygote Inzuchtlinien erzeugt. Sie sind im höchsten Maße einheitlich und haben keine genetische Variabilität mehr. Sie sind genetisch so verarmt, dass immer wieder Pflanzen mit den gleichen Eigenschaften herauskommen, wenn man sie durch Selbstbestäubung vermehrt. Das bedeutet Inzuchtlinien sind samenfeste Sorten! Samenfeste Sorten sind durch ständige Selektion entstandene homozygote Inzuchtlinien. F1-Hybriden sind Kreuzungen aus zwei Inzuchtlinien. Sie sind sehr viel kräftiger, wüchsiger und ertragreicher weil bei ihnen der Heterosis-Effekt zum Tragen kommt. Außerdem sind in ihnen alle Resistenzen ihrer Eltern vereint. In der F2-Generation spalten die Nachkommen in den Eigenschaften wieder auf. Von Generation zu Generation verarmt mit jeder Selbstung die genetische Vielfalt wieder bis am Ende wieder eine homozygote, samenfeste Sorte übrigbleibt.

Apfel Golden Delicious

Alle Apfelsorten sind F1-Hybriden und können wie dieser ´Golden Delicious´ nicht durch Samen sortenecht vermehrt werden.

Wo finden wir F1-Hybriden?

Am bekanntesten sind die F1-Hybriden beim Fruchtgemüse. Von Tomaten und Gurken, aber auch Kürbisse, Zucchini und Auberginen gibt es F1-Sorten. Auch bei Kohl, Radieschen und Porree gibt es F1-Hybriden. Bei Salat aber zum Beispiel nicht. Alle bekannten Apfelsorten sind F1-Hybriden. Z. B. der ´Adersleber Kalvill´ von 1839, ´Geheimrat Dr. Oldenburg´ von 1897 oder neue Züchtungen wie ´Alkmene´ (1930) und ´Gloster´(1951). Sie sind ausgezielten Kreuzungen hervorgegangen und werden seitdem durch Stecklinge und Pfropfungen auf Unterlagen vegetativ vermehrt. Entstanden Sorten durch zufällige Kreuzungen, werden sie Zufallssämlinge genannt. Solche Sorten sind zum Beispiel ´Braeburn´, ´Ananasrenette´, ´Berner Rosenapfel´, der ´Börtlinger Weinapfel´, ´Champagner Renette´ und ´Golden Delicous´. Auch sie sind F1-Hybriden und ihre Nachkommen haben andere Eigenschaften als sie.
Genauso verhält es sich mit Kirschen, Pflaumen, Quitten, Pfirsichen, Kiwi und allen anderen Obstsorten, die an Bäumen oder Sträuchern wachsen. Um identische Nachkommen von den Pflanzen zu erhalten, werden sie vegetativ aus Stecklingen vermehrt.
Bei dem einjährigen Gemüse, dass nicht vegetativ vermehrt werden kann, müssen die F1-Hybriden jedes Jahr wieder gezielt aus ihren Elternlinien gekreuzt werden, um neues Saatgut zu gewinnen. Das ist aufwendig und teuer. Aber die höhere Vitalität und der besserer Ertrag gegenüber den samenfesten Eltern rechtfertigen den höheren Preis. Darum werden F1-Hybriden seit Jahrzehnten mit dem Hinweis "F1-Hybride" beworben.

Von Recht und Gesetz

Es ist erlaubt jede beliebige Tomatensorte mit sich selbst oder mit jeder anderen zu kreuzen. Dabei ist es egal ob es eine F1-Hybride ist oder eine samenfeste Sorte. Es ist auch erlaubt die Samen zu ernten und daraus Pflanzen zu ziehen. Das Sortenrecht lässt das zu. Es ist aber nicht erlaubt die Samen zu verkaufen. Das verbietet das Saatgutverkehrsgesetz. Nach dem darf nämlich nur eine eingetragene Sorte in den Handel gebracht werden. Diese Sorten, die Züchter und Händler werden ständig überprüft, damit sichergestellt ist, dass auch wirklich die richtige Sorte mit den richtigen Eigenschaften aus den Samen wächst. Dieses Gesetz ist ein Verbraucherschutzgesetz. Es ist ebenfalls nicht erlaubt Tomaten im eigenen Garten zu vermehren und sie dann unter einem von jemand anderem eingetragenen Sortennamen in den Handel zu bringen. Das verstößt gegen das Sortenschutzgesetz. Dieses Gesetz schützt die Rechte der Züchter, die über Jahrzehnte hinweg sorgfältig gekreuzt und selektiert haben bis sie die Sorte erzielt hatten. Ihre Investition holen sie sich durch den Verkauf des Saatgut oder durch Lizenzeinnahmen zurück.

geschwungene Linie

Quellen für mehr Informationen:

Gregor Johann Mendel

Heterosis-Effekt

geschwungene Linie